Mensch…Mario Barth

Die Menschheitsgeschichte ist ja voll von ungelösten Rätseln. Aber Sie geben mir dieser Tage eines der größten auf. Wie kann es sein, dass am kommenden Wochenende 70 000 Menschen für teures Geld ins Berliner Olympia-Stadion kommen, um Ihren Witzen zuzuhören?

Ich weiß, über Humor kann man sich trefflich streiten. Mir fehlt zu dem Ihren ein bisschen der Zugang, aber dafür können Sie so wenig wie ich. Da muss man Sie nicht direkt wie die "Welt" als "fleischgewordenen Blondinenwitz" vernennen oder wie der "Spiegel" diagnostizieren, gemessen an Ihnen sei Hausmeister Krause ein Repräsentant der Hochkultur. Und trotzdem: 70 000 Menschen im Fußball-Stadion, um eineinhalb Stunden mit Gags verwöhnt zu werden, die - und das meine ich gar nicht böse - im Großen und Ganzen auch jeder bessere Club-Med-Animateur draufhat? Und die man bisweilen noch vom seligen Fips Asmussen kennt, weshalb sie gelegentlich dem alten Spruch vom "Witz mit sooooo einem Bart(h)" eine ganz neue Bedeutung verleihen? Bei Hertha BSC waren so viele Leute wahrscheinlich zum letzten Mal, als sie deutscher Meister wurden. Das war - Moment, ich muss gerade googeln - 1931. Und selbst Pavarotti, Carreras und Domingo brachten nicht so viele Besucher auf die Beine, und das waren immerhin die berühmtesten Sänger der Welt. Was zieht also die Massen an? Vielleicht hat das mit Ihnen gar nichts zu tun, sondern einfach mit dem Spektakel als solchem. Man geht dahin, weil alle dahin gehen und man das Gefühl hat, man könnte was verpassen, wenn man nicht dahin geht. Das ist mir schon beim Public Viewing zur Fußball-EM aufgefallen. Da pilgern Tausende erwachsener Menschen zu einer Veranstaltung, bei der sie einen Video-Beamer und eine Leinwand anfeuern. Die meisten von ihnen waren noch nie in einem Fußball-Stadion, zum Beispiel bei Eintracht Trier. Obwohl da reale Menschen realen Fußball spielen und im Gegensatz zum Großbildschirm sogar in der Lage wären, Anfeuerungsrufe zu registrieren und darob ihre Leistung zu steigern. Aber da sind einfach nicht so viele. Und wo nicht viele sind, da geht man auch nicht so gerne hin, wenn einem sowieso egal ist, worum es eigentlich geht - Hauptsache, es ist Party. Egal, Sie werden jedenfalls am Samstag Ihre Party haben. Und ich gönn's Ihnen. Und warte schon mal gespannt auf die Steigerung. Michael Mittermaier oder Atze Schröder vor 100 000 auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände zum Beispiel. Oder Oliver Pocher vor einer viertel Million auf dem Petersplatz in Rom. Wer uns Kahn und Podolski macht, wird auch den Benedikt noch hinkriegen.Dieter Lintz

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