Mensch... Martin Schmitt!

Herzlichen Glückwunsch. Nein, nicht so sehr zu Ihrem 4. Platz bei der Vierschanzentournee - obwohl das eine sehr respektable Leistung ist. Ich würde Ihnen gerne gratulieren zu Ihrem langen Atem, Ihrem Durchhaltevermögen und dem dicken Fell, das Sie sich in zehn Jahren Medien-Beschuss zugelegt haben.



Ich weiß noch, wie das losging seinerzeit mit dem Schmitt-Hype. Damals waren Sie ein "Jahrhunderttalent", ein "junger Adler", gar ein "neuer James Dean". Ihnen gehörten die dicksten Zeitungs-Balken und das zauberhafteste Zahnspangen-Lächeln aller Mädels zwischen 12 und 16.

Sie katapultierten sich so schnell an die Spitze der Popularitäts-Skalen, wie Sie die Schanzentische herunterrasten. Aber es dauerte nicht lange, da kam einer, der noch ein bisschen weiter hüpfte. Und prompt war Schmitt die "zweite Wahl", der "Hinterherflieger", irgendwann auch der "Versager".

Es muss so 2002 gewesen sein, da belegten Sie bei der Tournee Plätze zwischen fünf und acht. "Schmitt abgestürzt", lauteten die Schlagzeilen. Denn da vorne gewann ein überragender Sven Hannawald alle vier Springen.

In diesem Jahr liegen Sie ganz ähnlich wie damals. Aber niemand redet von "abgestürzt", im Gegenteil. Die Presse lobt Sie in höchsten Hymnen, die Kameras rennen Ihnen bis aufs Klo nach, und die Fernseh-Interviewer haben Mühe, nicht auf den Schleim-Spuren auszurutschen, die sie rund um Ihre Person ausbreiten.

Was lehrt uns das? Erstens: Angebot und Nachfrage bestimmen auch am Sport-Markt das Geschäft. Derzeit ist die Nachfrage nach deutschen Helden beim Skispringen groß, und das Angebot klein. Also steigt Ihr Preis ins Unermessliche.

Zweitens: Im gnadenlosen Medien-Wettbewerb ist es nicht mehr möglich, eine ordentliche Leistung einfach eine ordentliche Leistung zu nennen und als solche zu respektieren. Sie muss entweder gnadenlos glorifiziert oder eiskalt entwertet werden. "Hosianna" oder "Kreuziget Ihn". Wo der Sportler bei dieser Lotterie landet, darauf hat er wenig Einfluss.

Sie haben diesen Mechanismus zehn Jahre durchgehalten. Vielleicht wirken Sie jetzt so ruhig und ausgeglichen, ja manchmal geradezu heiter, weil Sie wissen, dass die gleichen Nasen, die ihnen jetzt jovial auf die Schulter klopfen, Sie in der nächsten Saison genau so jovial über die Wupper gehen lassen. Jedenfalls wenn ein besseres Angebot da ist.

Wenn man das mal verstanden hat, ist man um ein paar Illusionen ärmer. Aber um sehr viel Gelassenheit reicher.

Dieter Lintz

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