Mensch... Sigmar Gabriel!

Nun sind Sie ganz oben angekommen. Oder, wie vom Tagesthemen-Moderator über den Edel-Feuilletonisten bis zum Polit-Starkommentator niemand zu erwähnen vergaß: "Vom Pop-Beauftragten zum Parteichef." Eine Formulierung, die übrigens in vielen deutschen Wohnzimmern aufgrund ihres in der mündlichen Form durchaus missverständlichen Sinngehalts für reichlich Gegickel beim jüngeren Teil des Publikums sorgte.



Jetzt werden Sie also tatsächlich der Nachfolger eines August Bebel, Kurt Schumacher und Willy Brandt. Wobei zugegebenermaßen das Verfallsdatum von SPD-Parteivorsitzenden inzwischen dem eines linksdrehenden Joghurts außerhalb des Kühlschranks gleicht. Was wiederum damit zusammenhängt, dass gegenüber dem Konkurrenzverhalten an der SPD-Spitze ein Wolfsrudel geradezu als erlebnispädagogische Kuschelgruppe durchgehen würde.

Egal. Sie, den die FAZ einst als "Kampfmaschine aus Hannover" klassifizierte, haben es erstmal geschafft. Das liegt an der ungewöhnlichen Kombination zwischen Ihrem ausgeprägten Durchsetzungsvermögen und einer teflon-artigen Geschmeidigkeit, die man einem Mann Ihrer Statur zumindest auf den ersten Blick gar nicht zutraut.

Keiner weiß so richtig, ob Sie jemals für oder gegen die Agenda waren. Sie firmieren gleichzeitig als Schröder-Zögling und Schröder-Kritiker. Linke und Rechte in der SPD rechnen Sie gleichermaßen ihrem Lager zu, und bei den karrierefördernden "Netzwerkern" sind Sie eh zu Hause. Gestern waren Sie noch gegen rot-rot, heute finden Sie es ganz normal. Mit solchen Anlagen wird man in der Natur Chamäleon und in der Gesellschaft Spitzenpolitiker.

Zugegeben: Sie können auch anders. Wenn Sie beispielsweise als feuriger Erzengel Gabriel vor dem Endlager Gorleben stehen und den Atom-Ausstieg verteidigen. Das hat schon was Imposantes. Aber ob das reicht?

Falls nicht: Ein paar kleinere Jobs hat die SPD immer übrig. Grabpflege-Beauftragter auf dem Zehlendorfer Waldfriedhof beispielsweise. Da liegt Willy Brandt. Und so, wie der angesichts seiner Nachfolger seit Jahren rotieren dürfte, gibt es eine Menge zu tun.

Dieter Lintz

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