Mensch... Stefan Kießling

Sie sind ein sympathischer Fußballspieler. Einer, der durch Tore auffällt, nicht durch Fouls oder Schwalben.

Der sogar imstande ist, noch auf die dümmste und penetranteste Reporterfrage nach Spielende freundlich mit drei zusammenhängenden Sätzen zu antworten. Und seit Ihre Leistungen von unserem Nivea-Männchen auf dem Bundestrainer-Stuhl so schmählich ignoriert werden, bin ich fast ein Fan von Ihnen geworden - soweit man Fan von einem Bayer-Leverkusen-Spieler sein kann. Vorbei. Seit Samstag. Da haben Sie einen Ball neben das Tor geköpft. Und weil Sie das sofort merkten, drehten Sie enttäuscht ab und hoben die Hände - nicht etwa zum Himmel, um zu jubeln, sondern vor den Kopf, zum Zeichen des Ärgers. Sie waren schon auf dem Weg zurück in Ihre eigene Hälfte, da machten einige Ihrer Mannschaftskameraden Sie darauf aufmerksam, dass der Ball doch irgendwie ins Tor geflutscht war. Prompt hoben Sie die Ärmchen etwas höher und taten so, als hätten Sie was zu feiern. Bis zu diesem Zeitpunkt bin ich ja noch bei Ihnen. Man kann auch mal Dusel haben, und niemand ist verpflichtet, einen Irrtum zu seinen Gunsten aufzuklären, wenn ihn niemand bemerkt. Das war hier aber anders. Es gab Proteste, die Gegner zeigten auf das Loch im Netz, der Schiedsrichter bewegte sich auf Sie zu, um, wie er später sagte, seine "Zweifel auszutauschen". Ist es zu viel verlangt von Ihnen, an dieser Stelle zu sagen, Sie hätten den Ball neben dem Tor gesehen? Okay, Fußball ist kein Ponyhof, sondern ein beinhartes Geschäft. Aber auch Geschäfte kann man mit Anstand betreiben oder ohne. Sie haben den Gegner betrogen und den Schiedsrichter zum Deppen gemacht. Für ein 1:0 im Spiel und Ihren sechsten Treffer in der Torjägerliste. Wär\' ein komisches Gefühl, wenn Sie da am Ende Platz eins belegen aufgrund dieser Gaukelei. Gut: Es ist eine Sekundenentscheidung, und da kann man mal die falsche treffen. Man muss aber nicht. Ihr Torjäger-Kollege Miro Klose hat vor einem Jahr in der italienischen Liga, also bei den ganz irren Fußballfans, in der gleichen Situation dem Schiedsrichter gesagt: Ja, ich habe den Ball mit der Hand gespielt, mein Tor war irregulär. Obwohl sein Verein Lazio Rom das Spiel daraufhin krachend verlor, wurde er in ganz Italien gefeiert. Vielleicht ist es doch irgendwie gerecht, dass der Klose nächstes Jahr Weltmeister werden darf und Sie nicht. Dieter Lintz Weitere TV-Kolumnen auf www.volksfreund.de/kolumne

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