Mensch... Thomas Bach!

Ich kann mir nicht helfen, aber immer, wenn ich Sie dieser Tage bei einem Ihrer zahllosen Interviews als Chef-Olympionike auf dem Bildschirm sehe, nistet sich in meinem Hirn dieses Liedchen "Klingelingeling, klingelingeling, hier kommt der Eiermann" ein.

Das muss irgendwie mit Ihrem Rumgeeiere in Sachen China zusammenhängen. Einerseits wollen Sie nicht als Ignorant dastehen, den die Menschenrechte im Gastgeberland nicht die Bohne interessieren. Andererseits wollen Sie aber Ihre Olympia-Partner vom Chinesischen Staats- und Parteiapparat, die ebendiese Menschenrechte mit Füßen treten, nicht durch unbotmäßige Kritik vor den Kopf stoßen. Bei diesem Eiertanz zwischen Anstand und Diplomatie kann man einfach nicht gut aussehen. Sport und Politik hätten ja eigentlich so direkt nichts miteinander zu tun, sagen Sie. Jedenfalls könne der Sport nicht die Probleme der Politik lösen. Recht so: Wo kämen wir hin, wenn man vom Sport erwarten würde, dass er den Respekt vor den fundamentalen ethischen Prinzipien fördert und sich in den Dienst einer friedlichen Gesellschaft und des Schutzes der Menschenwürde stellt. Was? Das sehen Sie genau so? Dann sollten Sie allerdings mal dringend die Charta des IOC ändern, denn da stehen diesen hohen Ansprüche wörtlich so drin. Aber wen interessiert schon so eine Charta, das ist doch nur das Grundgesetz der Olympischen Bewegung. Natürlich haben Sie Recht mit dem Boykott. Damit wäre keinem geholfen. Ohne Spiele auch keine Welt-Öffentlichkeit. Aber das gilt nur dann, wenn man gegenüber dieser Öffentlichkeit auch Klartext redet statt diplomatischem Geschwiemel. Und da reicht es auch nicht, auf die Einhaltung von formellen Vertragsklauseln zu pochen. Menschenrechte, das ist doch wohl ein bisschen mehr als die mehr oder minder freie Einreise für 2500 Journalisten.Wer hindert das IOC, seinen Unmut über die Politik des eisernen Besens deutlich zu machen? Oder, tolle Geste, den Dalai Lama als IOC-Ehrengast zur Eröffnungsfeier einzuladen? Wenn die Chinesen Tag für Tag die Belastbarkeit des IOC austesten, dann müssten sie es ja auch mal umgekehrt aushalten.Antreten in China: ja. Aber bitte nicht leisetreten. Dieter Lintz

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