Mensch... Till Lindemann!

D a erklärt doch glatt der "Gesellschaftliche Rat für Sittlichkeit" in Weißrussland Ihre Band Rammstein zum Staatsfeind. Dieser wird sogar von Staatspräsident Lukaschenko unterstützt.Viel Feind, viel Ehr, möchte man meinen, Herr Lindemann.

Konkret geht es darum, dass es für manche Weißrussen immer noch eine Erregung öffentlichen Ärgernisses ist, wenn Bands über Gewalt, Sado masochismus oder Homosexualität singen. Dieses Spiel mit den Extremen ist ja schon lange das Markenzeichen ihrer Rock-Kapelle. Es gelang Ihnen immer, im rechten Moment noch ein Quäntchen draufzulegen, um für Schlagzeilen zu sorgen. Dabei meisterten Sie es, Ihr Publikum darüber im Unklaren zu lassen, wie ernst Sie es tatsächlich meinten. Es war die wohl dosierte Koketterie mit Tabu-Themen, wie Inzest ("Spiel mit mir"), Missbrauch ("Wiener Blut") oder Kannibalismus ("Mein Teil"), die provozierte. Hämmernde Bässe und Ihr teutonenhafter Gesang mit rollendem "R" sorgten zudem für herausragenden Erfolg.

Aber das hat sich doch alles längst überlebt. Selbst Pop-Küken wie Rihanna laufen heutzutage im Domina-Kostüm herum. Ihrem Marketing-Konzept gehen doch nur noch weißrussische Sittenwächter auf den Leim. In der Europäischen Union würde so ein Skandal keinen Hund mehr vor die Hütte treiben.

Mal ganz ehrlich, fühlt man sich wirklich mit Schweißerbrille und Kettenhemd auf der Bühne noch wohl, wenn man auf die 50 zugeht? Wie wäre es mal mit was ganz anderem, zum Beispiel wenn Sie Händels Messias oder gregorianische Choräle aufführen würden? Das wäre doch wirklich schockierend - aber bitte mit rollendem R. Hans-Peter Linz

Welt Seite 32

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