Menschliche Helden, göttliche Zicken

Luxemburg · Musiktheater der Luxusklasse im Grand Théâtre: Barockpapst William Christie entdeckt mit seinem Orchester Les Arts florissants die selten gespielte Oper "La Didone" wieder - und wird dabei von einem Weltklasse-Ensemble unterstützt.

 Umschwärmt von den Damen des Hofes: Iarbas (Xavier Sabata), der am Ende seine angebetete Dido doch noch heiraten darf. Foto: Grand Théâtre

Umschwärmt von den Damen des Hofes: Iarbas (Xavier Sabata), der am Ende seine angebetete Dido doch noch heiraten darf. Foto: Grand Théâtre

Luxemburg. Die Geschichte vom trojanischen Königssohn Äneas, der, von den Griechen und einem bösen Schicksal geschlagen, auf der Flucht bei Königin Dido in Karthago landet, hat schon viele Dichter und Komponisten zu einem Bühnenwerk inspiriert. Der Barockkomponist und Opernpionier Francesco Cavalli hat daraus 1641 ein musikalisches Spektakel für den venezianischen Karneval gemacht. Die Geschichte bekam ein Happy End: Äneas muss zwar, wie in der Sage, weiterziehen, aber Dido bringt sich nicht um, sondern tröstet sich mit einem anderen Verehrer.
Regisseur Clément Hervieu-Léger erzählt die Geschichte sehr plastisch, real und nah am Text. Die Handlungsfäden innerhalb des äußerst vielfältigen Personals (wer die antike Götterwelt ein bisschen kennt, hat\'s leichter) werden plausibel und ohne große Abstraktionen gezogen. Für interpretatorische Tiefe sorgt vor allem die imposante Szenerie (Bühnenbild: Eric Ruf).
Im ersten Akt, der noch im zerstörten Troja spielt, ragt aus dem Dauerdunkel zwischen Nebelschwaden eine einst mächtige und nun zerstörte Stadtmauer hervor. Eine zerschlissene Fahne, ein toter weißer Hirsch, allerlei herumliegende Baumaterialien: Cavallis anfangs sehr düstere Musik und das Ambiente ergänzen sich gegenseitig zu einer bedrückenden Atmosphäre.
Karthago im zweiten Akt ist dagegen hell, freundlich, mit glänzender Holzfassade. Aber Achtung: Die Umrisse des Palastes entsprechen genau jenen der toten Mauern in Troja, auch hier steht ein Bauturm, und selbst der Hirsch findet sich wieder.
Kann sein, so die Quintessenz, dass Troja bald wieder glänzt und Karthago zerstört sein wird. Und dieses ewige Karussell treibt Kriegshelden wie Äneas ruhelos um die Welt. Getriezt von wetterwendischen Göttern, die bei Hervieu-Léger auch schon mal göttliche Zicken sein können.
William Christie und seine Arts florissants kosten die Stimmungswechsel der Musik bis zur Neige aus, zelebrieren Perfektion auf selten gespielten Originalinstrumenten, schaffen unaufdringlich die ideale Basis für die Höhenflüge der Solisten. Subtile Begleitung der Arien und kraftvolle orchestrale Akzente wechseln sich ab.
Herausragend die Titelrolle von Anna Bonitatibus, keine Koloratur-Seiltänze, sondern ein präzise ausgesungenes Psychogramm auf höchstem stimmlichen Niveau. Brillant der junge Countertenor Terry Wey - ein festes Versprechen auf eine ganz große Karriere. Kresimir Spicer startet als Äneas mit einer Spur zu viel Überdruck, findet dann aber zu einem filigranen Rollenporträt. Der souveräne Counter Xavier Sabata, das agile und spielfreudige Soprantrio Katherine Watson, Tehila Nini Goldstein, Claire Debono: eine superbe Besetzung, bis zur allerkleinsten Rolle. Oper vom Feinsten. Ausgiebiger Jubel.
Weitere Aufführung heute Abend, 28. Oktober, 20 Uhr. Es gibt noch Karten. Von Trier aus ist ein Busshuttle eingesetzt. Infos: 0651/96686432.

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