Auftritt in der Rockhal Warum Simply-Red-Sänger Mick Hucknall seinen Vater enttäuschen musste - und was er in Luxemburg plant

Interview | Luxemburg/Trier · Mick Hucknall verkaufte mit Simply Red über 50 Millionen Alben. Im Volksfreund-Interview stellt der Engländer eine bekannte Falschmeldung über ihn richtig und wieso er vom modernen Fußball die Schnauze voll hat. Und dann wäre da noch die Sache mit den Sex Pistols ...

Mick Hucknall, Sänger und Gründer der britischen Band Simply Red. Am Dienstag spielt er in Luxemburg.

Mick Hucknall, Sänger und Gründer der britischen Band Simply Red. Am Dienstag spielt er in Luxemburg.

Foto: picture alliance/dpa/Axel Heimken

Der Interview-Termin mit dem TV ist noch gar nicht so hundertprozentig bestätigt, da klingelt es auch schon. Mick Hucknall ist dran, keine vorgeschaltete PR-Agentur, kein Management, wie es inzwischen auch bei Musikern üblich ist, die von Hucknalls über 50 Millionen verkauften Tonträgern Galaxien entfernt sind. Wenn der inzwischen 61-Jährige heute „Money’s Too Tight (to Mention)“ singt, ist das inhaltlich längst nicht mehr so wahr wie damals, 1985. Knapp bei Kasse ist er sicher nicht mehr. Aber er hat mit Simply Red eine große Europa-Tour anstehen, die ihn am Dienstag, 8. November, in die Rockhal Esch führen wird. Dazu hat der Rotschopf mit der großen Soulstimme einiges zu berichten – nach den harten Corona-Jahren und dem Brexit. „Da schäme ich mich für mein Land und vor allem für meine Regierung“, sagt er im Telefonat. „Wir sind in der Band alle sehr pro-europäisch“.

Warum sein aktuelles Album nicht die entscheidende Rolle bei der Tour spielen wird, und was er seinen Fans verspricht.

Die Lage habe sich in den vergangenen Jahren komplett gewandelt, seitdem das aktuelle Album im November 2019 erschienen ist. „Bei ‚Blue-Eyed Soul‘ stand der Spaß im Vordergrund, es war für mich auch ein Tribut an afroamerikanische Musik“, berichtet Mick Hucknall: „Seitdem hat sich in der Welt so viel verändert, die ganze Atmosphäre ist anders. Von daher will ich auf der Tour vor allem eins: Ich werde die Lieblingssongs des Publikums spielen und möchte eine positive Atmosphäre schaffen – die Leute sollen vor allem Spaß haben und dem ganzen Mist entfliehen, den wir alle durchmachen mussten.“

In der Rockhal spielten Sie zuletzt Ende 2010, es war damals einer ihrer letzten Auftritte Ihrer Farewell-Tour – Sie waren damals Ende 40, ein bisschen früh, um Schluss zu machen ...

Mick Hucknall: „Ich sagte damals ja nicht „tschüss, ich komme nie wieder“, sondern „farewell“, also im Sinne von „Auf Wiedersehen - ich bin erst mal weg und weiß noch nicht, wann ich zurückkehren werde‘. Ich wollte damals für meine kleine Tochter da sein. Psychologen sagen, dass die ersten sieben Jahre im Leben eines Kindes die wichtigsten sind. In diesen Jahren wollte ich für meine Tochter da sein. Ich wollte ein guter Vater sein.

Ein Arbeiterviertel im Osten Manchesters in den frühen 60er Jahren.  Mick wächst bei seinem Vater Reg auf, einem Friseur, nachdem seine Mutter beide verlassen hatte, als Mick drei war.   

Was sagte eigentlich Ihr Vater dazu, dass Sie Musiker werden wollten?

Hucknall: Er war gelinde gesagt überhaupt nicht begeistert. Er wollte, dass ich Meeresbiologe werde. Da antwortete ich ihm: Papa, das wird niemals passieren. Ich wusste schon mit vier oder fünf Jahren, dass ich Sänger werden wollte. So war das für mich eine ganz einfache Wahl – nur für ihn war sie schwer.

Gab es für Sie einen Moment in der Karriere, an dem sie sich sagten: ‚Okay, ich habe es geschafft?‘

Hucknall: Gute Frage. Das war wohl, als wir 1986 zum ersten Mal einen Nummer-eins-Hit in den USA hatten. Da wusste ich: Wir sind etabliert, wir sind angekommen. Mein Vater sagte damals aber immer noch: Irgendwann musst du dir aber einen richtigen Job suchen. Das war schon lustig.

Dabei geht es ja um Ihren Vater in „Holding Back the Years“, Ihrem damaligen Nummer-eins-Hit.

Hucknall: Ja, aber nur zum Teil. Im Song geht es um die Erfahrung, die jeder von uns durchmacht, wenn man von Zuhause auszieht. Es geht um das Gefühl, dass man einerseits gerne bleiben will, weil es warm und sicher ist, dich aber andere Dinge auch wegziehen.

Bevor Ihre Karriere als Sänger losging, waren Sie lange als DJ unterwegs. Was hat Sie beeinflusst, was gab es von Ihnen zu hören?

Hucknall: Die Show, in der ich damals aufgelegt habe, hieß Black Rhythms. Ich spielte also zum großen Teil afroamerikanische Musik, die im übrigen einen gewaltigen Einfluss auf uns alle hat. Ich glaube, viele wissen gar nicht, wie groß deren kulturelle Bedeutung ist, nicht nur für die Musik. Auch in der Sprache stammt vieles aus dem afroamerikanischen, zum Beispiel das Wort „cool“.

Was ist denn Ihr persönlichster Song, den Sie geschrieben habe?

Hucknall: Ich denke, „Holding Back the Years“. Es gibt ja Musiker, denen ein erfolgreicher Song später peinlich ist, die ihn sich am liebsten wegwünschen. So geht’s mir überhaupt nicht. Ich schrieb das Stück mit 17, es ist wahrscheinlich mein berühmtester Song – und das feiere ich bis heute. Ich hatte danach zwar auch mit anderen Liedern großen Erfolg, aber „Holding Back the Years“ bleibt ein ganz besonderer Song für mich.

Einfach rot, Simply Red, das ist eine Band - und doch wieder keine. Weil alles mit Mick Hucknall steht und fällt, er Kopf und Herz ist. Das Rot verwies dabei nicht nur auf seine Haarfarbe. Mick Hucknall, der Junge aus der working class, war auch lange Zeit großer Anhänger der Labour Party - auch wenn diese Liebe zuletzt deutlich abgekühlt ist. Und Rot ist auch die Farbe einer anderen alten Liebe, von Manchester United, den Red Devils.  

Sie gelten ja als großer Fußball-Fan. Werden Sie eigentlich die WM verfolgen?

Hucknall: Nein.

Überhaupt keine Vorfreude?

Hucknall: Absolut nicht. Es geht dort nur noch um Geld, Geld, Geld. Nur um Profit. Da können die Clubs auch gleich FC Deutsche Bank heißen, was wäre der Unterschied? Mich langweilt das. Und die WM dann noch im Katar auszurichten – im Winter, weil es im Sommer zu heiß ist? Nach all den Kontroversen um die Austragung dort? Das interessiert mich nicht mehr. Ich liebe immer noch Fußball. Aber ich schaue mir im Zweifel lieber eine paar Jungs an, die an einem Sonntagmorgen irgendwo im Park einem Ball hinterherlaufen.

Es hält sich ja das Gerücht, dass Sie in den 90ern mal Ihren Lieblingsclub Manchester United kaufen wollten. Was ist dran?

Hucknall: Das stimmt nicht. Wissen Sie, es wird so viel Bullshit geschrieben. Manche Dinge stimmen eben nicht. Aber das geht ja nicht nur mir so.

Bei den legendärsten Konzerten der Musikgeschichte steht eins weit oben in der Liste – als die Sex Pistols 1976 vor wohl 40 Zuschauern in Manchester spielten. Das ist eine Art Gründungsmythos des Punks. Auch weil unter den wenigen Zuschauern reihenweise Teenies waren, die später große Musikkarriere machten - von Ian Curtis und Peter Hook (Joy Division, New Order) über Mark E. Smith (The Fall) und Morrissey (The Smiths) - und eben auch Mick Hucknall, der musikalisch mit Punkrock aber herzlich wenig zu tun hat.

Was er von diesem Konzert noch in Erinnerung behalten hat? 

 Mick Hucknall von Simply Red.

Mick Hucknall von Simply Red.

Foto: Dean Chalkey

Hucknall: „An diese spezielle Show kann ich mich nicht mehr gut erinnern, weniger jedenfalls als an die Show mit den Sex Pistols und The Clash ein paar Monate später in Manchester. Aber das war 1977, das ist lange her –  vor allem, wenn man sieht, dass ich mit Simply Red erst 1985 richtig angefangen habe. Musikalisch hat das meine Karriere nicht sehr beeinflusst – mit einer Ausnahme: Damals habe ich gelernt, dem Business, etwas misstrauisch gegenüber zu stehen, der ganzen Musikindustrie. Ich habe mich immer gegen Ausbeutung von Musikern gewehrt, gegen miese Verträge. Das habe ich vom Punk gelernt.“

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