"Mir genügt keine Leinwand"

Trier · Das freie Jugendkulturzentrum Exzellenzhaus in Trier gilt als Keimzelle der Graffiti-Malerei in der Region. Dort sind vor 20 Jahren die ersten Arbeiten von Laurent Steinmayer entstanden. Seine bunten Großbilder genießen heute nicht nur in der Szene große Anerkennung.

Trier. Liebe ist ein wichtiges Thema für "Kaos One". Unter diesem Pseudonym bringt Laurent Steinmayer seit mehr als 30 Jahren Farbe in die Welt. Das Wort Love - die Buchstaben nicht immer in der ursprünglich geordneten Reihenfolge - findet sich oft in den Großbildern des Graffiti-Malers, der sich nicht gerne "nur" als Künstler einordnen lässt. "Graffiti ist mehr", sagt der 45-Jährige. "Graffiti bedeutet kreativ sein, Protest und Jugendkultur." Als Laurent Steinmayer im Alter von 14 Jahren in Paris die ersten Bilder sprayte, wusste er noch nicht viel von der Hip-Hop-Kultur, die ihre Wurzeln im New York der 70er Jahre hat, und zu der von Beginn an Graffiti gehören. Das sollte sich schnell ändern. Adrenalin an jedem Tag

"Jeder Tag war damals Adrenalin pur", erinnert er sich. Denn natürlich war das Besprühen von Wänden und Zügen nicht legal und wurde rigide verfolgt. Der "Kick des Erlebens" sei bis heute der Grund, warum er male. In Trier, wo es einige genehmigte Sprayflächen gibt, muss er dazu nichts Unerlaubtes tun. "Graffiti und Hip-Hop", sagt Steinmayer mit französischem Akzent, "sind für mich eine Lebensphilosophie, in der die Grundwerte der Demokratie gelebt werden. Das ist multikulturell - die Leute sprayen nebeneinander, egal, woher sie kommen."Nach Trier kam Laurent Steinmayer 1988 als Soldat. Er blieb nach dem Wehrdienst und malte weiter. 1994 begegnete er im Exhaus der Streetworkerin Helga Rieckhoff, die es ihm ermöglichte, die ersten Wände in dem Jugendzentrum legal in Farbe explodieren zu lassen. "Ich komme immer ins Spiel, wenn es Schwierigkeiten gibt", sagt die heute 61-Jährige mit einem Augenzwinkern. Es war der Beginn einer andauernden Zusammenarbeit und Freundschaft. Jährliche Hip-Hop-Festivals tauchen seitdem das Exhaus in ein neues Gewand aus Musik und modernen Wandbildern. Mittlerweile gilt "Kaos One", der regelmäßig auch als DJ auflegt, als Graffiti-Urgestein. Seine bunt-verschachtelten Buchstaben- und Formelemente sind auch international angesehen. Die von Helga Rieckhoff erstellten Kunstmappen dokumentieren Ausstellungen und Auftragsarbeiten in Deutschland, Luxemburg und Frankreich. Seine Handschrift hinterlassen hat er aber in fast allen großen Städten Europas. "Ich habe immer für mich gemalt", sagt Steinmayer, "und für die Leute, denen es gefällt. Wenn ich im Ausland bin, ist das für mich wie Disneyland."In Trier war er unter anderem bei der Moselland-Ausstellung 2003 dabei (siehe Extra). Er hat ein Exponat der Elefantenparade Trier-Luxemburg gestaltet und sich an der kritischen Ausstellung zur Heilig-Rock-Wallfahrt in der Trierer Tuchfabrik beteiligt. Von den begrenzten Möglichkeiten, dort große Werke zu präsentieren, ist er wenig begeistert. "Mir genügt keine Leinwand."Was damit gemeint ist, zeigt er derzeit an der Fassade des Exzellenzhauses. Wie häufig seit etwa einem Jahr arbeitet Steinmayer dort mit Youri Cancell zusammen, dessen fotorealistischen Porträts ebenfalls für Aufsehen sorgen. Die vermutlich größte Aufmerksamkeit und Anerkennung haben beide durch die Gestaltung der Betonmauer an der Bitburger Straße (B 51) erzielt, eine Auftragsarbeit für die Stadt Trier. "Trier ist für Sprayer im Vergleich zu anderen Städten ein Paradies", sagt Steinmayer, der Gewalt ebenso ablehnt wie zu große Konformität. Er habe in Frankreich Freunde, die auf der Flucht vor der Polizei seien. "Aber die wissen, was sie tun, wenn sie dort sprayen, wo es nicht erlaubt ist." Der 45-Jährige lächelt, bevor er ergänzt: "Man kann mit Graffiti viel gewinnen - aber auch viel verlieren."graffitikunst-steinmayer.deExtra

 Meister der Farben: Laurent Steinmayer ist der bekannteste Graffiti-Künstler der Region. Foto: privat

Meister der Farben: Laurent Steinmayer ist der bekannteste Graffiti-Künstler der Region. Foto: privat

Die ersten öffentlichen Anfragen erhielt Laurent Steinmayer 1988. In Trier hat er zum Beispiel Unterführungen, Spielplätzen und Wänden der Justizvollzugsanstalt gestaltet. Hinzu kamen das Mitwirken bei der Moselland-Ausstellung, dem Kultursommer Rheinland-Pfalz, der Landesgartenschau Trier, dem Projekt "Konstantins Erben" der regionalen Jugendzentren und eine Ausstellung im Rathaus Trier. Er war bei mehreren internationalen Graffitiveranstaltungen dabei. 2007 belegte er beim internationalen Contest "Write4Gold" im Halbfinale mit seiner Crew den ersten Platz. Zudem nahm er 2008 am Kunstpreis Trier-Saarburg, 2013 an der Elephant Parade Trier-Luxemburg und 2014 am Rheinland-Pfalz-Tag teil. Nominiert war Steinmayer 2014 für den Kunstpreis Prix D\\'Art Robert Schumann. r.n.

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