Mit 80 Jahren: Saxofon spielen, auf Traditionen pfeifen

Luxemburg · Wayne Shorter, einer der einflussreichsten Saxofonisten und Komponisten des modernen Jazz hat mit seinem Quartett ein spannendes Konzert in der Philharmonie Luxemburg gegeben. Die Musik des 80-Jährigen präsentierte sich geradezu anarchisch und spaltete das Publikum.

Luxemburg. 900 Besucher hat Jazz-Legende Wayne Shorter in die Philharmonie Luxemburg gelockt. Erst musikalischer Leiter von Art Blakeys Jazz Messengers, dann Mitglied im neu formierten Quintett von Miles Davis hat er Kompositionen geschrieben, die zu Klassikern wurden. Zeitgleich hinterließ er mit Solo-Projekten prägende Meilensteine wie zum Beispiel "Footprints". Unvergessen auch sein Erfolg mit der Elektro-Jazz-Rock-Formation Weather Report, die er 1970 gemeinsam mit Joe Zawinul gründete.
Seit mehr als zehn Jahren spielt der 80-Jährige in der Akustik-Quartett-Besetzung, die an diesem Abend den großen Konzertsaal der Philharmonie regelrecht aufmischt. Denn in einem Alter, in dem andere ihr Lebenswerk noch einmal Revue passieren lassen, geht Shorter mit seinen Mannen neue Wege, setzt sich über Traditionen und Konventionen radikal hinweg. Das beginnt bei der Struktur des Konzerts. Statt einzelner Stücke gibt\'s Musik nonstop, vergleichbar einer Reise mit offenem Ziel, bei der es allein um abenteuerliche und unerhörte Entdeckungen geht.
Die Form ist flexibel, scheint sich weder rhythmisch noch harmonisch einer Gesetzmäßigkeit zu unterwerfen. Im Stakkato-Stil reihen sich zunächst fragmentarische Ideen aneinander, in denen Shorter auslotet, wie weit er minimieren kann, um maximalen Ausdruck zu erlangen. Manchmal haucht er nur in sein Saxofon, manchmal lässt er es schreien, immer ohne Ausschmückungen. Für das Tenorsaxofon scheint ihm ein wenig die Puste zu fehlen, meist nutzt er das Sopransaxofon. Das Spiel seiner Mitmusiker formt sich in Wellen zu ekstatischen Ausbrüchen, bei denen es der Schlagzeuger Brian Blade mit Knalleffekten etwas übertreibt.
In die teils anarchische Wildheit setzt allenfalls Pianist Danilo Pérez Stränge der Kontinuität oder einzelne Ruhepunkte. Nach einer spannungsgeladenen Stunde wechselt der Gesamtcharakter, da tauchen gar lyrische Momente auf. Auch mogelt sich ein bisschen ferner Osten in die Musik. Das Echo auf das Konzert, das bar jeder Kommunikation mit dem Publikum eher dem Selbstzweck zu dienen scheint, ist geteilt. Viele kehren der verstörenden Unberechenbarkeit des Dargebotenen den Rücken. Andere spenden einer großartigen Leistung und Legende begeistert Applaus. ae

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