Mit Energie und Klangsinnlichkeit

Luxemburg · Ein Star unter den Dirigenten und ein Orchester, das zu den "Big Five" der amerikanischen Klangkörper zählt: In der Philharmonie haben Riccardo Muti und das Chicago Symphony Orchestra mit Beethoven und Berlioz etwa 1350 Besucher begeistert.

Luxemburg. Riccardo Muti ist einer, der vermag, aus einem schon hundertmal gehörten Stück ein überraschendes Klangereignis zu machen. Mehr noch: Sein frischer Zugriff regt dazu an, über etwas neu nachzudenken, wovon man gedacht hatte, dass in den nächsten hundert Jahren alles gesagt sei. Das mag auch daran liegen, dass der 72-jährige Verdi-Spezialist sich selbst immer wieder Herausforderungen stellt, die seinem Stammrepertoire eher fernliegen.
Mit Ludwig van Beethovens 5. Symphonie in c-moll, einem bewährten Schlachtross aller Programmveranstalter, war der Dirigent gemeinsam mit dem Chicago Symphony Orchestra nach Luxemburg gekommen. Sie befreiten die "Schicksalssymphonie" von jedwedem Pathos und vertrieben allen mystischen Nebel. Anders als sein Kollege Karajan setzt Muti dabei allerdings nicht auf Druck, sondern auf Nachdenklichkeit, schlackenfreien Klang und Frische.

Kämpfe und Denkpausen


Die Logik der Symphonie wurde offenbar, ohne dass dabei ihre emotionale Kraft verloren ging. In Luxemburg griff kein Beethoven "seinem Schicksal in den Rachen". Er nahm es in die Hand wie jedermann mit allen Niederlagen und Triumphen. Muti ließ der Symphonie ihre rhythmische Energie und ihre Seelenkämpfe, aber er setzte auch auf Denkpausen und Nachhall. Wunderbar versteht er sich auf Vielfarbigkeit und Poesie. Jedes Instrument kam hier mit unverwechselbarer Stimme zu Wort, die sich mit den andern zum großen Einklang in den Tutti verband.
Die Musiker aus Chicago sind für ihre Bläser berühmt. Schön: die singende Oboe im ersten Satz, die himmlisch klaren jedwede Trübnis verscheuchenden Klarinetten. Was für ein großartiger Klanggestalter Muti ist, auf welchen Farbenreichtum er sich versteht, zeigte sich auch anschließend in Hector Berlioz großartiger symphonischer Dichtung "Symphonie fantastique" (Episoden aus dem Leben eines Dichters).
Muti kann die Geigen schneidend wie Peitschenhiebe klingen lassen, hauchzart wie Schleier wehen und wie Gespenster höhnen machen. Bedrohung oder strahlender Triumph ist sein Trompetenklang. Hinreißend die perlende Harfe. Wie nah Berlioz an Beethovens "Pastorale" (der 6. Sinfonie) ist, wurde einmal mehr hörbar in der "Szene auf dem Land". Ein Kleinod musikalischer Balance "Le Bal" mit seinem Wechsel aus strahlender Klangseligkeit und jenem dunklen Rasen wie es der Liebe auch eigen ist. Das Publikum raste seinerseits vor Begeisterung und bekam zum Dank seinen geliebten Verdi als Zugabe. er

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