Mit Kultur Geld verdienen

BREGENZ. Dass Kultur immer ein Zuschussgeschäft sein muss, ist nicht ausgemacht. Von professionell aufgezogenen, gut vermarkteten und intelligent konzipierten Festspielen kann eine Region gut leben – wie das Beispiel Bregenz beweist.

Die Festivalmacher am Bodensee können ihren ökonomischen Nutzen sogar schwarz auf weiß dokumentieren: Eine groß angelegte wissenschaftliche Studie attestiert ihnen allein im österreichischen Umfeld Umsatz-Effekte von 160 Millionen Euro und eine Wertschöpfung von rund 100 Millionen. Dazu kommen im direkten Zusammenhang mit den Festspielen mehr als 1100 Vollzeit-Jahresarbeitsplätze, die meisten davon in der Tourismus-Branche. Das hätten sich die Erfinder nicht träumen lassen, als sie 1946 auf zwei Kieskähnen zum ersten Mal das "Spiel auf dem See" veranstalteten. Die große Oper auf der Seebühne ist bis heute das Herzstück der Festspiele und mit fast 200 000 Besuchern auch der Publikumsmagnet. Bei Preisen zwischen 26 und 106 Euro leisten die Zuschauer einen beachtlichen Anteil am Gesamt-Jahresbudget von 25 Millionen Euro. Der Erfolg hat zudem potente Sponsoren angelockt, so dass sich der öffentliche Zuschuss von Bund, Land und Stadt auf bescheidene 5,5 Millionen beschränkt - ein Klacks im Vergleich mit der berühmten "Umweg-Rendite". Ein derart niedriger Subventionsanteil dürfte weltweit ohnehin einmalig sein - jedenfalls bei einem Festival mit kulturellem Anspruch. Und auf letzteren pflegt man in Bregenz genau zu achten. Das über Jahrzehnte entwickelte Konzept, dem sich auch der seit zwei Jahren amtierende Intendant David Pountney verbunden fühlt, arbeitet mit einen Mix aus populären und anspruchsvollen Elementen. So bietet man jeweils am Vorabend der Seebühnen-Premiere eine rare Opern-Ausgrabung im Festspielhaus. Das hält die Kritiker bei Laune und verhindert, dass die Festspiele unter dem Signet "Spektakel" abgebucht werden und aus den großen Feuilletons verschwinden. Die Oper auf dem See selbst ist stets ein weithin bekanntes Stück - was breiten Publikumszuspruch sichert. Aber sie glänzt immer durch unkonventionelle, zeitgenössische, aufregende Sichtweisen - was sie von Opernmuseen wie Verona unterscheidet, die von Kennern längst gemieden werden. Rechnet man noch Schauspiel, Operetten und das moderne "Kunst aus der Zeit"-Angebot hinzu, dann überrascht nicht, dass das Publikum in einer Gallup-Umfrage die "besondere Atmosphäre", die "gute Organisation" und das "hohe künstlerische Niveau" gleichermaßen mit Bestnoten bedenkt. Das dürfte auch daran liegen, dass Festivalbesucher nirgendwo so umfassend und professionell über das Angebot informiert werden. An jeder Ecke und für jeden Geschmack sind kostenlose Publikationen erhältlich, die einfach und klar das künstlerische Konzept kommunizieren. Plakate, ein kultiger Internet-Auftritt mit einer ständigen Bühnen-Webcam: Auf vielfältige Weise sorgen die Festivalmacher dafür, dass ihre Besucher wissen, was sie erwartet. Und dass sie verstehen, was sie zu sehen bekommen - auch wenn Verdis Troubadour in einer Ölraffinerie schmettert. So integriert man ein Publikum, das Salzburg und Bayreuth nie erreichen werden. Derart umhegt, bleiben die Leute denn auch gern etwas länger. 36 Prozent der Besucher verbinden das Festival mit einem Urlaub. Da klingeln die Kassen von Vorarlberg bis in das Allgäu. Und es zahlt sich aus, dass eine ganze Region "ihre" Festspiele vorbehaltlos mitträgt.

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