Moderne Zeiten

Es ist hart und bitter, das Leben des Vernon Subutex. Da ist dieser Pariser, die besten Jahre hat er hinter sich, ehemaliger Plattenverkäufer, ein fauler, selbstgefälliger Nichtsnutz.

Moderne Zeiten
Foto: (g_kultur

Ein Parasit, ein Lügner und Feigling, aber kein schlechter Mensch.
Und man ist nah dabei und sieht zu, wie er fällt, wie sein Leben auseinanderbricht, bis Subutex auf der Straße landet, obdachlos, verarmt, ganz unten. Er ist hart und bitter, der Roman "Das Leben des Vernon Subutex" der französischen Schriftstellerin Virginie Despentes.
Oft obszön, nicht unbedingt realistisch und glaubhaft, aber schmerzhaft und tiefschürfend.
Auf dem Weg den Abfluss der Gesellschaft hinunter begegnet der Leser einem Panoptikum bunter Gestalten: die Transsexuelle, die sich ihrer Sexualität gar nicht so sicher ist, die Pornodarstellerin, die aus ihrem alten Leben ausgebrochen ist, weil sie es mit Mann und Kind nicht mehr ausgehalten hat, der Ausländerfeind, der seinen Selbsthass auf andere projeziert, die Neonazis, die es nicht besser wissen, die mit dem radikalen Islam liebäugelnde Muslima, die es nicht besser wissen will - Verlassene, Vernichtete, Zurückgelassene, Hoffnungslose. All das eingebettet in den hochaktuellen Wahnsinn zwischen Facebook und Instagram, Egozentrismus und Verunsicherung, Selbstdarstellung und Selbstbetrug: Subutex' Reise vom Besuch des Gerichtsvollziehers in der Wohnung hin durch zahlreiche Betten und über Sofas bis auf die Straße zeigt die Krankheiten und Abgründe des modernen Frankreich anno 2017, die Despentes zur Skulptur schnitzt, grob, hässlich und bisweilen streng überzeichnet, aber auch deshalb so bissig und treffend.
Es ist hart und bitter, das Ende dieses Buchs, das eigentlich gar keines ist, "Das Leben des Vernon Subutex" lässt den Leser nach 400 Seiten einfach stehen, ohne Lösung und Auflösung, ohne klaren Sinn - das ist treffend, aber auch ein bisschen frech. Der nächste Band soll im Frühjar 2018 erscheinen.
David Falkner
Virginie Despentes: Das Leben des Vernon Subutex. Aus dem Französischen von Claudia Steinitz, 400 Seiten, Kiepenheuer & Witsch, 18,99 Euro

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