"Musik als Beruf? Ich rate jedem Schüler ab"

Trier · Die Lehrer an den öffentlichen Musikschulen haben es schwer. Wer nicht das Glück hat, eine der wenigen Stellen zu besetzen, muss sich als Honorarkraft durchschlagen. Und für die Zukunft stehen die Aussichten angesichts der öffentlichen Schuldenbremse noch schlechter.

Trier. Wer die Materie nicht kennt, könnte auf den Gedanken kommen, Musikschularbeit sei das reinste Paradies: Vollzeitstellen mit 30 Stunden à 45 Minuten, Einzelunterricht ohne die Disziplinprobleme, die manchen Lehrer an allgemeinbildenden Schulen in die Resignation treiben, und dann noch die Beschäftigung mit Musik, die allgemein als erholsam gilt.
Leider sieht die Realität anders aus. Bundesweit werden die Arbeits- und Lebensbedingungen für Musikschullehrer schwieriger. Unter ihnen eine staatlich geprüfte Flötenlehrerin, die sich im Kollegenkreis noch zu den Privilegierten zählen darf.Dauerzustand Freiberuflichkeit


An vier Tagen pro Woche fährt sie vom Wohnort in Schweich nach Wittlich, nach Enkirch, nach Salmtal und zweimal nach Saarburg. Sieben Stunden Fahrzeit und 270 Kilometer fallen wöchentlich an. Nur der Mittwoch ist autofrei. Da unterrichtet sie in ihrem Schweicher Haus - nicht auf eigenen Wunsch, sondern weil in Schweich zu dieser Uhrzeit kein geeigneter Raum frei ist. "Wenn ich mir die Situation mancher Kollegen anschaue, habe ich trotzdem keinen Grund zur Klage", sagt sie.
Sie hatte das Glück, an der Kreismusikschule Trier-Saarburg eine der wenigen festen Stellen zu besetzen. Nur 16 Kolleginnen und Kollegen teilen mit ihr an dieser Schule den Vorzug eines sicheren Einkommens einschließlich Sozialversicherung, Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. In der Kreismusikschule Bernkastel-Wittlich arbeiten zurzeit 26 angestellte Lehrkräfte und 33 Honorarkräfte. Bei den 65 Lehrkräften an der Musikschule Trier ist nur rund die Hälfte fest angestellt. Aber die Flötistin muss sich mit einer Teilzeitstelle begnügen. So tourt sie auch nach Wittlich und an die Mosel - natürlich als Honorarkraft.
Langfristig könnte die Freiberuflichkeit für immer mehr Musikschullehrer zum Dauerzustand werden. Obwohl die Musikschulleiter seit Jahren hinhaltenden Widerstand leisten, wird immer wieder eine freie Stelle nicht besetzt und die Arbeit an Honorarkräfte delegiert.
In Trier waren vor zehn Jahren noch 33 Lehrkräfte angestellt, und nur 13 unterrichteten auf Honorarbasis - heute sind es 32. An der Musikschule Bernkastel-Wittlich ging seit 2004 die Zahl der statistischen Vollzeit-Arbeitsplätze von 14,32 auf 12,40 zurück, die Zahl der entsprechenden (statistischen) Honorarstellen wuchs von 5,94 auf 9,1.
Das lässt sich von den Betroffenen verschmerzen, so lange deren Unterricht nur Nebentätigkeit ist und im Übrigen eine andere Stelle Sicherheit garantiert. Anders steht es allerdings, wenn Lehrkräfte allein aufs Honorar angewiesen sind. Auch wenn Zahlen nicht greifbar sind - nach Auskunft von Musikschulleitern in der Region nimmt seit Beginn der 1990er Jahre die Zahl der Lehrer, die vom Honorar leben müssen, langsam aber stetig zu.
"Die haben die Arschkarte gezogen", sagt, wenig salonfähig, ein Insider. Bezahlt wird nämlich nur die gegebene Unterrichtsstunde. Schulferien gehen zulasten der Lehrkraft. Und das bedeutet, dass von zwölf Kalendermonaten nur rund neun bezahlt werden.Bei Absage kein Honorar


Auch bei Krankheit entfällt das Honorar, und an manchen Musikschulen in Deutschland wird es sogar gestrichen, wenn der Schüler absagt. Auch die Stundensätze lösen bei den Betroffenen keine Begeisterung aus.
Die Musikschule Trier-Saarburg sieht für Lehrkräfte mit (nur) künstlerischem Abschluss 18,50 Euro für die gehaltene Stunde vor; bei der Doppelqualifikation künstlerisch/pädagogisch gibt es 23 Euro. In Bernkastel sind es derzeit 21,62 Euro und 23,28 Euro, in Trier maximal 27 Euro. Bei 30 Wochenstunden bleibt das Salär im günstigsten Fall (Trier) mit gut 800 Euro pro Woche bescheiden - und das wegen der Schulferien ohnehin bestenfalls für rund neun Monate im Jahr. Selbstverständlich sind von diesem Betrag nicht nur Steuern zu zahlen, sondern auch die Beiträge zur Sozialversicherung.
Dass diese Situation sich verbessert, ist unwahrscheinlich. Dafür sorgt die Schuldenbremse der öffentlichen Haushalte. In Trier-Saarburg kann es als Erfolg gelten, dass der öffentliche Zuschuss von derzeit 280 000 Euro vorläufig nicht schrumpft.Abbau trifft junge Lehrkräfte


In Bernkastel-Wittlich ist der Zuschuss seit 2007 sogar leicht gestiegen - von rund 243 000 Euro auf 248 000 Euro im Jahr 2013, also 5000 Euro oder rund zwei Prozent in sieben Jahren. Hierbei handelt es sich jedoch um einen Wert, der deutlich unter der Inflationsrate ist. In Trier trägt die öffentliche Hand immerhin konstant 50 Prozent der Gesamtkosten. Wegen unterschiedlicher Strukturen sind die Zuschüsse allerdings nicht direkt vergleichbar.
Der schleichende Abbau trifft dabei vor allem die jungen, noch nicht etablierten Lehrkräfte. Zudem erweist sich die allgemeinbildende Ganztagsschule für die Musikschule als Problem, weil der Dauereinsatz der Schülerinnen und Schüler die Aufnahmefähigkeit im Instrumentalunterricht deutlich reduziert.
Die Position der Flötistin zu der absehbaren Entwicklung ist jedenfalls eindeutig: "Musik als Beruf? Ich rate jedem Schüler ab!"

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