Musiker und Spielort unter einem Dach

Luxemburg · Die Luxemburger Regierung hat eine wichtige Entscheidung gefällt: Orchestre Philharmonique und Philharmonie fusionieren. Das könnte auch Auswirkungen auf die Kultur in der Trierer Region haben.

 Das Orchestre Philharmonique soll Teil der Philharmonie-Organisation werden. Vorne neben Chefdirigent Emmanuel Krivine (Mitte) die beiden Konzertmeister Philippe Koch (links) und Haoxing Liang. Foto: Christian Aschman

Das Orchestre Philharmonique soll Teil der Philharmonie-Organisation werden. Vorne neben Chefdirigent Emmanuel Krivine (Mitte) die beiden Konzertmeister Philippe Koch (links) und Haoxing Liang. Foto: Christian Aschman

"Ein hochkomplizierter Prozess", sagt Matthias Naske und lässt keinen Zweifel: Die vorgesehene Fusion von Luxemburger Philharmonie und dem Orchestre Philharmonique du Luxembourg (OPL) wird mehr sein als nur ein administrativer Vorgang. Vor einigen Wochen hatte Luxemburgs Kulturministerin Octavie Modert die wegweisende Entscheidung gefällt und den Generaldirektor des Konzerthauses mit der Durchführung betraut. Unterstützt wird Naske von fünf Repräsentanten aus Regierung, Orchester und Philharmonie. Sie sollen die Organisationen des Konzerthauses und des Orchesters, die bisher ein nicht immer konfliktfreies Nebeneinander praktizierten, zu einer juristischen und organisatorischen Einheit verschmelzen. Viel Zeit bleibt dabei nicht: Mitte 2011 soll die Fusion im Wesentlichen abgeschlossen sein.

Selbstverständlich stehen hinter der politischen Entscheidung auch gesellschafts- und finanzpolitische Motive. Eine "enge Verzahnung der Musikkulturen" macht Naske als Ziel aus. Mit dem Zusammenlegen der Institutionen sei es dabei nicht getan. Man müsse mit den Orchestermusikern "neue Visionen" und ein "neues Berufsbild" entwickeln.

Und noch eins steht ziemlich weit oben auf der Prioritätenliste: Die Präsenz in der Großregion. Das OPL soll verstärkt auf Reisen in die Umgebung gehen. Die Luxemburger könnten damit künftig auch in der Trierer Region aktiv werden. Naske diplomatisch: "Jede sinnstiftende Beschäftigung des Orchesters ist ein Gewinn."

Dass Transaktionen wie diese nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen, versteht sich. Erstaunlich ist in diesem Fall eher die Gelassenheit der Reaktionen. "Wir unterstützen die Fusion", erklärt Utz Köster vom Luxemburger Orchestervorstand. "Sie kann für das Orchester nur gut sein." Auch aus der Trierer Region kommen zustimmende Signale. Er arbeite gerne mit den professionellen Orchestern der Großregion zusammen, erklärt Hermann Lewen, Intendant des Mosel-Musikfestivals. Und ein Schulterschluss der Institutionen sei ohnehin notwendig. Manfred May vom Trierer Konzertchor kann einer Präsenz der Luxemburger gleichfalls Gutes abgewinnen, falls diese im Rahmen bestehender Organisationen stattfinde. Sogar bei Trierer Orchestermusikern fällt die Reaktion nicht rundweg ablehnend aus. Es gehe vor allem darum, das Interesse an klassischer Kultur zu aktivieren. Da bestehe das größte Defizit.

Nur Triers Generalmusikdirektor Victor Puhl zeigt sich besorgt: "Eine Zusammenlegung kultureller Institutionen ist immer mit dem Risiko eines Kulturabbaus verbunden. Mein Wunsch in diesem konkreten Fall ist, dass vor allem das Orchester seine künstlerische Unabhängigkeit auch in Zukunft wahren kann."

Meinung

Kein Grund zur Besorgnis

Nein, das Musikleben in der Trierer Region steht nicht vor einer feindlichen Übernahme. Wagen wir die Prognose: Sogar bei stabilisierten neuen Verhältnissen wird sich die Präsenz des "Orchestre Philharmonique" in und um Trier auf zwei oder drei Veranstaltungen jährlich beschränken. Die entscheidenden Zukunftsprobleme liegen ganz woanders. Sie drehen sich um die Tatsache, dass die Generation unter 40 Live-Sinfonik kaum mehr zur Kenntnis nimmt. Wie lässt sich diese fatale Einstellung revidieren? Wie lässt sich die Einsicht vermitteln, dass ein Orchester so reichhaltig und differenziert organisiert ist wie keine andere Einrichtung gleicher Größe? Und wie lässt sich die Erfahrung weitergeben, dass Sinfoniekonzerte Orte einer unerreichten Klang- und Gefühlskultur sind und keineswegs nur repräsentativ und laut? Konzerte mit Welt- und Filmmusik, so sinnvoll sie sind, werden dazu wohl kaum ausreichen. Entscheidend ist, dass sich der sogenannte klassische Musiksektor nicht in eine bildungsbürgerliche Abseitsstellung manövrieren lässt. Und um das zu verhindern, kann die Existenz der Philharmonie nur hilfreich sein. m.moeller@volksfreund.de

Hintergrund

Philharmonie: Das Luxemburger Konzerthaus. das im Sommer 2005 eingeweiht wurde, hat sich zu einem Zentrum der regionalen Musikkultur entwickelt. Unter Leitung von Matthias Naske präsentiert ein etwa 25-köpfiges Team ein Programm zwischen Sinfonik und Weltmusik. Orchestre Philharmonique du Luxembourg (OPL): Das luxemburgische Staatsorchester wird von Emmanuel Krivine dirigiert. Es hat eine eigene Organisation, an deren Spitze Olivier Frank steht. Das OPL fungiert in der Philharmonie als "Orchestra in Residence", ist aber unabhängig. Jetzt sollen die bislang getrennten Institutionen verschmolzen werden. (mö)

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