Musikgeschichte(n): Weihnachtsoratorium

Trier · "Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage." Das sind die Anfangsworte, mit denen der Chor das berühmte Weihnachtsoratorium (WO) von Johann Sebastian Bach eröffnet. Begleitet von Pauken und Trompeten. Ist ja auch völlig richtig so. Schließlich ist die erste der sechs Kantaten, aus denen das WO besteht, geschrieben für den Gottesdienst am ersten Weihnachtstag.

1734 wurde es erstmals zu dieser Gelegenheit in Leipzig aufgeführt. Damals wie heute waren die Menschen fröhlich, freuten sich über das Weihnachtsfest. Im WO wird die Weihnachtsgeschichte durch einen Solisten, der in die Rolle des Evangelisten schlüpft, erzählt. Sie wird von verschiedenen Solisten in besonders kunstvollen Liedern, die man Arien nennt, und durch Kirchenlieder, sogenannte Choräle, die vom Chor gesungen werden, kommentiert.

Wenn man genau hinhört, dann kommt man im WO manchmal ins Stolpern. In der ersten Kantate wird die Ankunft von Maria und Josef in Bethlehem geschildert und die Geburt Jesu. In einer wunderschönen Arie ("Bereite dich, Zion") fordert die Altistin die Welt auf, sich auf das Kommen Jesu vorzubereiten. Der Chor antwortet darauf mit dem Choral "Wie soll ich dich empfangen?"

Aber auf welche Melodie? Bach verwendet hier die Melodie von "O Haupt voll Blut und Wunden." Ein Choral, der eigentlich zum Karfreitag, also zum Sterbetag Jesu, gehört. Hat Bach sich da vertan? Dann hat er sich mehrfach vertan, weil er diese Melodie mehrfach verwendet. Besonders deutlich wird es beim letzten Lied aus der sechsten Kantate des WO. Hier erklingt es begleitet von Pauken und Trompeten.

Dahinter steckt die Überlegung von Bach, dass Weihnachten ohne den Karfreitag keinen Sinn macht. Wäre Jesus für uns nicht gestorben, dann bräuchten wir auch seine Geburt nicht so groß zu feiern. So traurig, wie es bei einem neugeborenen Kind sein mag: Wenn am Sonntag in der Konstantin-Basilika um 17 Uhr vier der sechs Kantaten gespielt werden, dann werden wir schon auf die Karwoche und den Tod Jesu hingewiesen. gkl

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