Musikgeschichte(N)

Weil Papa heute dringend den Keller streichen muss (sagt er zumindest), hat Mama Max mit in die Oper genommen. Draußen ist es 30 Grad heiß.

"Ich gehe aber nur im T-Shirt mit", hat Max protestiert. Jetzt sitzt er mit kurzen Ärmeln oben im Saal und schaut in den Orchestergraben, wo die Musiker in ihren dunklen Anzügen spielen. "Warum sitzen die denn so eng da unten?", fragt er erstaunt. "Den armen Musikern muss doch furchtbar heiß sein. Haben die das Theater zu klein gebaut?" Max hat schon recht. Dass Orchestermusiker im Musiktheater, wozu auch die Oper gehört, sozusagen in der Versenkung verschwinden, ist nicht selbstverständlich. Noch vor 200 Jahren wurde das Orchester im Parkett (so heißt der Raum vor der Bühne) aufgestellt. Um auf die Bühne zu schauen, mussten die Besucher jedes Mal über die Musiker hinwegsehen. Das hat viele Leute sehr gestört. Deshalb fing man vor gut 150 Jahren an, in Theatergebäude unterhalb der Bühne einen Graben für das Orchester einzubauen. Das ist gar nicht so einfach. Die Musiker stören die Zuschauer nun zwar nicht mehr. Aber die Gräben müssen so gebaut werden, dass die Musik, die das Orchester spielt, draußen gut klingt. Außerdem müssen auch die Sänger auf der Bühne die Musik hören und den Dirigenten sehen können, um ihre Einsätze nicht zu verpassen. Tatsächlich ist es im Orchestergraben unbequem und eng und im Sommer oft auch heiß. Trotzdem sind solche Gräben praktisch. Zum Beispiel können Musiker, die nicht an der Reihe sind, den Theatersaal auf diesem Weg unauffällig verlassen. In die meisten Orchestergräben kann man aus dem Zuschauerraum hineinsehen - das geht zum Beispiel im Trierer Theater. Ein ganz berühmter Graben, den man nicht einsehen kann, ist der Orchestergraben des Festspielhauses in Bayreuth. Das liegt in Bayern, und dort gibt es gerade eine ganze Reihe von Opernaufführungen. Die Musiker dort nennen ihren Orchestergraben den "mystischen Abgrund". Mystisch bedeutet so viel wie geheimnisvoll. So ein uneinsehbarer Abgrund hat gerade bei Hitze noch einen anderen Vorteil. Kein Mensch sieht, was die Musiker anhaben. Wenn ihnen heiß ist, können sie ganz bequem in T-Shirt und Bermudas spielen, ohne dass es einer merkt. Eva-Maria Reuther

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