Musikgeschichte(N)

Papa hat auf Omas Speicher seine alte Mundharmonika gefunden. "Mal sehen, ob das gute Stück noch geht", ruft er aufgeregt und fängt gleich an zu spielen.

Klingt ziemlich gequetscht, findet Paul. "Hör ja mit dem Ohrenquäler auf", protestiert Mama. Papa ist beleidigt: "Von wegen Ohrenquäler. Auf meiner Mundharmonika habe ich früher bei jedem Ausflug gespielt." Mama verteidigt sich: "Ohrenquäler ist doch nur eine alte Bezeichnung für die Mundharmonika." Pauls Mutter hat recht. Als die ersten Mundharmonikas vor etwa 200 Jahren gebaut wurden, fanden die Leute ihren eigenartigen Ton ziemlich nervig. Ihre Musik sei eine Qual für die Ohren, beschwerten sich die Zuhörer. Als Instrument ernstgenommen wurde die Mundharmonika schon gar nicht. Noch vor gut 100 Jahren bezeichnete ein berühmtes Lexikon das kleine Instrument, das in die Hosentasche und jeden Rucksack passt, als "bekanntes Kinderinstrument". Inzwischen ist es auch bei Erwachsenen beliebt. Heute ist die Mundharmonika das meistverkaufte Musikinstrument überhaupt. Ihren ganz eigenen Ton bekommt sie durch ihre Bauart. Die Mundharmonika ist ein Luftzungeninstrument. Die Luftzungen sind schmale Metallstreifen, die auf einem Rahmen befestigt sind. Um Töne zu erzeugen, müssen die Luftzungen zum Schwingen gebracht werden. Je schneller sie schwingen, desto höher wird der Ton, je langsamer desto tiefer. Die Zungen werden zum Schwingen gebracht, indem man mit den Lippen Luft ansaugt oder ausstößt. Die Luftzungen benötigen einen abgeschlossenen Raum mit Luft, der die Töne verstärkt. Bei der Mundharmonika ist das der sogenannte Kanzellenkörper oder "Kamm". Das ist der Kasten, den man von außen sieht. Auf ganz einfachen Mundharmonikas kann man nur die Ganztöne der Tonleiter spielen. Schon lange gibt es allerdings Instrumente, auf denen sich auch komplizierte Tonfolgen spielen lassen. Gute Mundharmonika-Spieler können ihr Spiel vielfältig und ausdrucksvoll gestalten. Je nach Melodie kann die Mundharmonika dann lustig, traurig, aufgeregt oder verträumt klingen. Leider haben sich die berühmten Komponisten bisher kaum dafür interessiert, was so eine Mundharmonika alles kann. Nur ein Brasilianer, der Heitor Villa-Lobos hieß, hat für sie ein richtiges Konzert geschrieben. Eva-Maria Reuther

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