Natur erleben im Konzertsaal

Wittlich · Das ist für die gesamte Region ein außergewöhnliches Ereignis: Am Sonntag, 23. April, um 18 Uhr, erklingt im Wittlicher Eventum die "Alpensinfonie" von Richard Strauss.

 Der Mainzer Generalmusikdirektor Hermann Bäumer dirigiert das Mainzer Staatsorchester und das Landesjugendorchester. Foto: privat

Der Mainzer Generalmusikdirektor Hermann Bäumer dirigiert das Mainzer Staatsorchester und das Landesjugendorchester. Foto: privat

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Wittlich Die sinfonische Dichtung, die im Jahr 1915 uraufgeführt wurde, gehört zu den gewaltigsten Orchesterwerken überhaupt. Um die gigantische Bergwelt der Alpen schildern zu können, griff Strauss zu einer Mammut-Orchesterbesetzung. In Wittlich werden das Mainzer Staatsorchester und das Landesjugendorchester (LJO) Rheinland-Pfalz die "Alpensinfonie" gemeinsam aufführen. Außerdem auf dem Programm: Rossinis Ouvertüre zu Wilhelm Tell und ein Konzert für Alphorn und Orchester von Daniel Schnyder. Die Leitung hat der Mainzer Generalmusikdirektor Hermann Bäumer. TV-Mitarbeiter Martin Möller sprach mit ihm.Herr Bäumer, Sie gastieren am 23. April mit einer großen Besetzung im Wittlicher Eventum. Was treibt ein Staatsorchester und deren Chefdirigenten dazu, in der Kreisstadt Wittlich aufzutreten?Hermann Bäumer Seit 2001 arbeite ich mit dem Landesjugendorchester zusammen. Das schließt seine Arbeitsphasen in der Regel mit drei Konzerten ab. Zu den zwei Konzerten des Philharmonischen Staatsorchester in Mainz haben wir uns nach einem weiteren Ort umgeschaut, und den Veranstaltungssaal Eventum fanden alle Beteiligten ausgesprochen passend.Nun ist das Konzertprogramm doch eher inhomogen: Die "Alpensinfonie" von Richard Strauss als Schwerpunkt, Rossinis Ouvertüre zu Wilhelm Tell als heiteres Intermezzo und schließlich ein völlig unbekanntes Alphorn-Konzert von Daniel Schnyder. Wo bleibt da die Konzeption?Bäumer Es gibt wenige Programme, die eine so enge thematische Verbindung aufweisen wie dieses. Die Sinfonie über die Alpen von Richard Strauss, die Ouvertüre zu einer Oper, in deren Mittelpunkt die Figur des Wilhelm Tell steht, dessen Kampf zur Gründung der Schweiz geführt hat, und dann noch ein Konzert für Alphorn, dem Schweizer Nationalinstrument - komponiert von einem Schweizer. Das ergibt, auch musikalisch, einen schönen Bogen.Also kein inhomogenes, sondern im Gegenteils ein sehr homogenes Programm.Bäumer Ganz genau! Die "Alpensinfonie" ist in Besetzung und Ausdehnung ein Mammutwerk. Was unterscheidet diese Komposition von einer illustrativen Filmmusik?Bäumer Die Qualität und die Durcharbeitung dieser Komposition. Strauss befand sich bei der Uraufführung 1915 als Komponist auf dem Höhepunkt seines Könnens. Das Illustrative, das es in der "Alpensinfonie" sicherlich gibt, ist streng eingebaut in durchdachte Strukturen - denken Sie nur an den Anfang, die Nacht, alles entwickelt sich aus einem Cluster, einer Tontraube. In dieser sinfonischen Dichtung finden sich Annäherungen an die Neue Wiener Schule - Umkehrungen oder Spiegelungen beispielsweise, allerdings gekleidet in ein sehr spätromantisches Idiom. Und es gibt wenige Werke, die von der Instrumentation so meisterhaft geführt sind wie die "Alpensinfonie".Da sind nicht alle Ihrer Meinung. Zum Beispiel der Musikwissenschaftler Mathias Hansen: "Die Alpensinfonie wird zur längsten Tondichtung von Strauss - weil sie kein beherrschendes Maß hat, keinen haltgebenden, tragfähigen Kern. Sie flüchtet gewissermaßen in die Länge." Was sagen Sie dazu?Bäumer Man muss sich in die Zeit versetzen, in der Strauss die "Alpensinfonie" komponierte. Heute schreiben nur noch wenige Komponisten Musik dieses Ausmaßes. Der Vorwurf, der Strauss gemacht wird, könnte sich außerdem ebenso gut auf Gustav Mahler beziehen. Es gilt, sich auf eine Wanderung einzulassen, die natürlich eine andere zeitliche Dimension einnimmt, als ein Sprint. Außerdem lässt sich die grandiose Bergwelt der Alpen nun mal nicht in zwei Minuten beschreiben. Und wenn man die Bergwanderung, die in dem Werk geschildert wird, in Zeit umsetzt, kommt man auf circa 14 Stunden. Da sind die 48 Minuten, die das Stück dauert, doch relativ kurz.Strauss hat nach der "Alpensinfonie" keine sinfonische Dichtung mehr geschrieben. Ist dieses Werk die Krönung einer Gattung oder Dokument eines Scheiterns?Bäumer Dokument eines Scheiterns ist sie sicherlich nicht. Aber Strauss hat gemerkt, dass er die Gattung nicht noch weiter auf die Spitze treiben konnte - in der Besetzung, im Instrumentarium, in der Vielfarbigkeit des Orchesterklangs. Er hat sich in der Folge vermehrt auf deutlich kleinere Besetzungen eingelassen.Im Orchester, das in Wittlich gastiert, spielen erfahrene Musiker des Staatsorchesters und die jungen Mitglieder des Landesjugendorchesters zusammen. Was können die Jungen von den Alten lernen?Bäumer Nun, die jungen Musiker sind auch nicht unerfahren. Sie spielen teilweise schon länger im LJO und auch im Bundesjugendorchester. Das sind sehr talentierte Instrumentalisten. Dadurch, dass Musiker beider Orchester sich ein Pult teilen, können sie von der Erfahrung der philharmonischen Musiker profitieren und haben die Möglichkeit ohne Umwege ins direkte Gespräch zu kommen, Fragen und Auffassungen können diskutiert werden und sicher erhalten sie auch den einen oder anderen Tipp.Und wie profitieren die Alten, Erfahrenen von den Jungen? Bäumer Es ist schön, wenn die Musiker des Staatsorchesters an ihre Anfänge erinnert werden - an den unverstellten Blick und die Begeisterung, die sich einstellt, wenn man das Hobby Musik zum Beruf machen möchte. Die Zusammenarbeit hat sich als sehr positiv herausgestellt - für beide Seiten. Staatsorchester und LJO sind außerdem beide gefördert durch das Land Rheinland-Pfalz. Und es ist schön, wenn man solche Institutionen gelegentlich zusammenführt. Auch für mich ist die Zusammenarbeit toll, weil ich ja beiden Orchestern schon längere Zeit verbunden bin. Termin: Sonntag, 23. April, 18 Uhr, Eventum Wittlich. Das Mainzer Staatsorchester und das Landesjugendorchester spielen gemeinsam Werke von Rossini und Daniel Schnyder und die Alpensinfonie von Richard Strauss. Leitung: Hermann Bäumer

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