Neuanfang oder Ende der Schlaflosigkeit?

Esch-sur-Alzette · In der Rockhal in Esch feierten die Gruppe Faithless ihr 20-jähriges Bestehen, deren Sänger die Premiere eines neuen Bandprojekts und das Publikum die Erinnerung an frühere Clubnächte.

Esch-sur-Alzette. Das Bemerkenswerteste, was man in den vergangenen Jahren im Zusammenhang mit Faithless hören konnte, war ein Youtubevideo, in dem ein Mann am Londoner Borough Market den Faithless-Hit "Insomnia" mit Löffeln begleitet. Das liegt zum einen daran, dass die britische Gruppe sich 2011 aufgelöst hatte, und zum anderen daran, dass ihr mit den jüngsten Alben kein großer Wurf mehr gelang.
Vor wenigen Monaten gaben Maxi Jazz, Sister Bliss und Rollo überraschend bekannt, wieder auf Tour zu gehen. Ein neues Studio-Album gibt es nicht, im September soll lediglich eine Remix-Platte erscheinen. Musikalisch untätig war zumindest der MC nicht. Als Opener spielt er in der Rockhal mit seiner neuen Band Maxi Jazz & The E-Type Boys. Hier lebt der Londoner eine "unelektronische" Seite aus: bis zu drei Gitarren, Bass, Background-Sänger, Schlagzeug und Percussion kommen bei einer Mischung aus Funk, Soul und Blues zum Einsatz. Oft klingt es allerdings etwas überladen.Musik kaum verändert


Bewährtes hingegen bekommen die 3000 Besucher von Faithless geboten. Hier trägt der drahtige fast 60-jährige Maxi Jazz sein Jacket wieder auf nackter Haut. Auch Sister Bliss, die an den Synthesizern für die eingängigen Melodien zuständig ist, hat seit der Bandgründung 1995 nichts von ihrer Attraktivität eingebüßt.
Leider hat sich auch die Musik im Laufe der Jahre kaum verändert, weshalb Faithless in der Rangliste englischer, entspannt-elektronischer Musik nach Massive Attack, Portishead und Tricky höchstens auf Platz vier rangiert. Nach "Salva Mea" (1995), "Insomnia" (von dem es in der Rockhal leider nur eine Fünf-Minuten-Version gibt, 1995) und "God is a DJ" (1998) vermochten es ihre Stücke immer seltener, Tanzflächen zu füllen. 2004 erschien "Mass Destruction", eine treibende Electro-Ska-Nummer, neuere Titel landeten seitdem selten auf den Plattentellern der Clubs. Einzige Ausnahme, auch während des knapp zweistündigen Konzerts, ist "Not going home" (2010), bei dem der sich oft wiederholende Refrain wie der Protest eines fünfjährigen Jungen klingt.
Nicht nur, weil schon die größten Hits ähnliche Motive verarbeiten, sondern auch, weil Maxi Jazz in seinem Sprechgesang wenig variiert, wird die Musik schnell monoton. Bei "We come 1" stellt man mit Schrecken fest, dass der Song auch von Scooter stammen könnte.
Zum Schluss leuchtet auf der LED-Wand die Zahl "20". Trotz vierjähriger Pause feiert die Band in diesem Jahr ihr Jubiläum. Wenn es noch weitere werden sollen, muss ein bisschen mehr kommen als der 100. "Insomnia"-Remix. Sonst werden die Fans beim Hören irgendwann nicht mehr unter Schlaflosigkeit leiden. chj

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