Neue Impulse für altes Schlachtross

TRIER. Mit Mozarts "Entführung aus dem Serail" eröffnet das Trierer Theater am 1. Oktober die Spielzeit 2006/2007. Die Proben für das bewährte Singspiel gehen dieser Tage in die Endphase.

Ohne Unterlass flitzt die zierliche Frau zwischen Bühne und Regiepult hin und her. Manchmal steht sie sogar mit einem Bein auf der Bühne und mit dem anderen im Zuschauerraum, obwohl der Höhenunterschied fast einen Meter ausmacht. Arme, Beine, Hüften, alles bewegt sich. Zeichen, Gesten, Fingerzeige demonstrieren den Akteuren auf der Bühne, was sie tun und wie sie sich bewegen sollen. "Alle wollen eine Zweierbeziehung"

Aurelia Eggers arbeitet eng am Mann und an der Frau. Keine Regisseurin, die aus der Ferne große symbolistische Tableaus komponiert. Im Detail muss es stimmen, die Charaktere sollen überzeugen, nicht das abstrakte Konzept. "Mit ist wichtig, dass die Zuschauer die Figuren und ihr Handeln zu möglichst jedem Zeitpunkt nachvollziehen können", sagt sie. Kein Wunder also, dass sie beim Versuch, dem alten, fast zu Tode gerittenen Schlachtross "Entführung aus dem Serail" ein paar spannende Nuancen abzugewinnen, eher auf ein Kammerspiel setzt. Der Regie-Mainstream hat die Orient-Okzident-Geschichte um zwei entführte Europäerinnen, die dank eines großmütigen osmanischen Herrschers statt in den Harem wieder in Freiheit geraten, zuletzt meist als Polit-Parabel um den Clash von Islam und Christentum in Szene gesetzt. Eggers ("Was andere gemacht haben, ist für mich kein Kriterium") interessiert sich weniger für Politik als für Beziehungsgeflechte, Besitzansprüche, Eifersucht und Projektionen. Ihre Inhaltsangabe: "Eigentlich geht es nur um sechs Leute, die alle eine Zweierbeziehung wollen." Darauf konzentriert sich auch das Bühnenbild von Andreas Wilkens, von dem man eine bonbonrosafarbene Muschel als "Bühne auf der Bühne" erkennen kann. Es wird sich einiges drehen, verspricht der Ausstatter, "um die Mechanik der Gefühle zu zeigen". Sopranistin Antje Bitterlich, als Gast engagiert, ist von der Grundidee sehr angetan. "Das Stück hat viel mit uns heute zu tun, aber es ist nicht platt aktualisiert", sagt die junge Sängerin, die früher am Flensburger Theater sang, seit eineinhalb Jahren freiberuflich tätig ist und in Trier bereits ihre dritte "Konstanze" gestaltet. Bei den Proben geht es locker zu, die Stimmung ist prächtig, auch bei Bassist Thomas Schobert, der auf eine Dreifach-Premiere zusteuert: Er singt - in der Paraderolle des Aufsehers Osmin - seine erste "Entführung", stellt sich erstmals als neues Trierer Ensemblemitglied vor und tritt sein erstes Engagement überhaupt an. Ein Mann mit deftig-sonorer Stimme, nicht nur beim Singen, der das ausstrahlt, was man gemeinhin "Bierruhe" nennt - und auch von den optischen Konturen her liefert, was man von einem klassischen Bass-Buffo erwartet. Kunstvoll verwickelte Handlung

Noch absolviert er in Nürnberg das letzte Semester der Meisterklasse, muss ein paar Monate zwischen Franken und dem Moselland pendeln. Aber das Trierer Haus traut ihm einiges zu: Nicht nur Osmin soll er singen, sondern mit dem Bürgermeister in Zar und Zimmermann im Frühjahr gleich die nächste Spitzen-Rolle des Repertoires. Da dürfte ihm seine Bühnen-Erfahrung im Bayreuther Festspielchor zugute kommen. Auf der Probe-Bühne muss er erst einmal Konstanze, Blonde (Evelyn Czesla), Eric Rieger (Belmonte) und Peter Koppelmann (Pedrillo) einfangen. Das lange Seil, an dem sie hängen, ist bald genau so kunstvoll verwickelt wie die Handlung. Ein hübsches Bild, an dessen Arrangement Eggers akribisch arbeitet. Bassa Selim, der Herr des Serails, hat an diesem Morgen frei. Laszlo Lukacs hat Zeit, seine Bariton-Stimme auf eine ungewöhnliche Aufgabe vorzubereiten: Er hat diesmal nichts zu singen, aber jede Menge zu sprechen. Premiere am 1. Oktober, weitere Vorstellungen am 6., 10., 14., 21., 27. Oktober, 5., 19. November. Karten: 0651/7181818.

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