Tanztheater Eindringlich eindringend

Trier · Tanzperformance „INVASION (ED) 2.22“ von Hannah Ma uraufgeführt.

Von Eindringlingen aller Art: Szene aus „INVASION(EN) 2.22 von Hannah Ma.

Von Eindringlingen aller Art: Szene aus „INVASION(EN) 2.22 von Hannah Ma.

Foto: Eva-Maria Reuther

„You have invaded my heart“, bekennt die ausdrucksstarke Stimme aus dem Hintergrund. Ums Vereinnahmen, Eindringen und Durchdringen unterschiedlicher Art geht es in Hannah Mas spannender Produktion „INVASION (ED) 2.22“, die jetzt in der Europäischen Kunstakademie Trier uraufgeführt wurde. Das Stück, das die Tänzerin und Choreografin gemeinsam mit ihrer Kompagnie hanna ma dance produziert hat, entstand im Rahmenprogramm der rheinland-pfälzischen Landesausstellung „Der Untergang des Römischen Reiches“. Als Co-Autoren werden die Schriftstellerin Nora Amin und der Berliner Spezialist für audiovisuelle Medien Sebastian M. Purfürst im Programm genannt. Zudem standen für Teile der Choreografie Mittel aus dem Förderprogramm des Bundes „Neustart Kultur“ zur Verfügung.

Als ein weiterzuentwickelndes „Work in Progress“ versteht Hannah Ma ihre neuste Produktion, die nach Trier auf Tournee in die weite Welt bis nach Südafrika gehen wird. Eine „performative Installation“ nennt die Künstlerin ihr Stück. Und genau das ist es. Die vier Säulen des ehemaligen Ateliers markieren den Raum, in dem die verschiedenen Arten von Invasionen verhandelt werden. Und den das fabelhafte Team in der Bewegung greift, auslotet und über Geste und Mimik mit Bildern füllt und mit Energie auflädt. Diversität ist der zeitgeistige Debattenbegriff, der die Buntheit der Welt fasst, mit ihren vielfältigen, zuweilen kontroversen Sichtweisen, Ansprüchen und Befindlichkeiten. Mit seinen unterschiedlichen und erfrischend individuellen Persönlichkeiten verkörpert Hannah Mas internationales Team bildmächtig solche Diversität. Mas Produktion ist ein Gesamtkunstwerk aus Bewegung, Stimme, Text und Video. Als geschlossene Linie bewegen sich zu Beginn die Tänzerinnen und Tänzer im Rhythmus der Stimme, die Nora Zrika gehört, und die von Invasionen und Erfahrungen damit, berichtet. Die Reihe wird sich bald auflösen, die Tanzenden sich vereinzeln.

Überhaupt wird die dynamische Choreografie bestimmt vom permanenten Wechsel zwischen Gruppenbild und Vereinzelung, sozialem Schwarmverhalten und Individualität. Als ambivalente Erfahrung setzt das Tanzensemble die Gemeinschaft ins Bild. Ihr Zusammenhalt kann Geborgenheit geben, ihr Druck aber auch bedrohlich sein. Sie kann Menschen ausgrenzen oder solidarisch integrieren. Invasionen können auf viele Art geschehen, wie hier zu sehen ist. Als kriegerische Invasion wie als tödliche Eindringlinge in den Körper in Gestalt von HIV oder Coronaviren. Invasoren sind auch die Kolonisatoren, die Länder oder Körper ohne Empathie besetzen. „Sex is boring“ steht im Video an der Wand zu lesen. Was soviel bedeutet wie Sex ohne Liebe ist ätzend. Überhaupt fassen die berührenden, an die Wand projizierten Texte der ägyptischen Schriftstellerin Nora Amin in Poesie und Sprache, was im Bühnenraum wortlos von den geschmeidigen Tänzerinnen und Tänzern veräußert wird. Ihre Bewegungssprache ist Seelensprache. Jeder Aufbruch bedeutet für Lebewesen den ersten Schritt zum Tod, weiß Nora Amins Schildkröte im schönsten der Texte.

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