Nicht jeder Umbau endet mit Halleluja

Trier · Kneipe, Kabellager oder Turnhalle, das wird immer häufiger zum Schicksal für viele Kirchenbauten. St. Maximin in Trier ist da ein prominentes Beispiel. Umnutzung und Bauen im Bestand - darin besteht die große Herausforderung im Umgang mit vielen Kirchenbauten. Das Ergebnis gibt nicht immer Anlass zur Freude.

Der Fall ist unvergessen. Als 1995 in Trier die ehemalige Abteikirche von St. Maximin ihrer Bestimmung als Turn- und Mehrzweckhalle übergeben wurde, ging ein Aufschrei durch die Republik. "Turnen über den Altären" beklagte die FAZ den Preis der Wiederherstellung. Man mag bis heute streiten, ob es angemessen ist, nicht nur über ehemaligen Altären, sondern auch über einer antiken Grabstätte (die sich unter dem Kirchenboden befindet) herumzuturnen. Tatsache ist indes, dass durch die aktuelle Nutzung als Sport- und Konzerthalle nicht nur ein Denkmal von nationaler Bedeutung erhalten blieb. Durch die architektonischen Eingriffe des Kölner Architekten Gottfried Böhm wurde dem zum Pferdestall verkommenen Bau zudem seine ursprüngliche lichte Gestalt wiedergegeben.

So gut wie St. Maximin geht es allerdings längst nicht jeder Kirche. In Zeiten schrumpfender und zusammengelegter Gemeinden sowie anhaltender Ebbe in den Kirchenkassen droht nicht ausgelasteten und renovierungsbedürftigen Gotteshäusern vielerorts die Abrissbirne.

Über 12 000 Kirchen sind nach einschlägigen Schätzungen in Deutschland in den nächsten Jahren derart bedroht. Allein die Ruhrdiözese will sich von einem Drittel ihrer Kirchen trennen. Rund 2500 Kirchen gibt es im Bistum Trier. Dazu gehören Denkmäler des Weltkulturerbes wie der Trierer Dom und Liebfrauen, genauso wie Pfarrkirchen und Kapellen am Wegrand. "Die Menschen in ihren Gemeinden sind ganz stark emotional mit ihren Kirchen und Kapellen verbunden", weiß Bischof Stephan Ackermann. Auch deshalb - so der Bischof in einem Interview - seien die Gotteshäuser so weit wie möglich zu erhalten. Darin ist er sich mit seinen evangelischen Kollegen vom Kirchenkreis Trier einig: "Wir wollen unseren Kirchenbestand, wenn eben möglich, erhalten", bestätigt Öffentlichkeitsreferent Jörg Weber. Der evangelische Theologe rechnet in den kommenden Jahren mit zwei bis vier Millionen Euro, die der Kirchenkreis für Instandsetzungsarbeiten an den rund zwei Dutzend Kirchen zuschießen muss. Für die Kirchen des Bistums werden laut bischöflichem Bauamt alljährlich etwa acht Millionen Euro für Instandsetzungszuschüsse in den Bistumshaushalt eingestellt. Baukostenträger sind bei katholischen wie evangelischen Pfarrkirchen als Eigner die Pfarrgemeinden.

Moderne Gebäude sind besonders bedroht



Besonders bedroht sind erfahrungsgemäß moderne Kirchen, darunter viele Nachkriegsbauten. Sie können wegen ihres geringen Alters und zum Teil auch wegen ihrer Gestalt, der man nicht immer die Kirche ansieht, weder mit dem Symbolwert historischer Bauten noch mit deren Bedeutung für die Identität der Gläubigen und des Ortes dienen.

Unlängst sorgte der Fall des Gemeindezentrums Christkönig in Saarlouis-Roden des Trie rer Architekten Günter Kleinjohann für Aufregung. Obwohl es unter Denkmalschutz steht, geriet das eindrucksvolle, aber sanierungsbedürftige Betonensemble in Verdacht, abgerissen zu werden. In Saarlouis ist die Gefahr abgewendet, andernorts konnten weder Denkmalschutz noch die Herkunft von prominenten Architekten wie Rudolf Schwarz oder Gottfried Böhm gerade moderne Kirchenbauten vor dem Abriss schützen. "Wenn die Bauschäden zu groß sind und kein Bedarf einer Gemeinde besteht, sollte abgerissen werden", ist auch die Devise von Christoph Freitag vom bischöflichen Bauamt Trier.

Leitfaden zum Umgang mit Kirchen



Dass die Frage nach Sein, Nichtsein oder Anderssein für viele Kirchenbauten künftig zur Schicksalsfrage wird, haben beide christlichen Kirchen in Deutschland längst erkannt. Bereits 2003 haben sie einen Leitfaden herausgegeben, wie mit den Sakralbauten umzugehen ist. Grundsätzlich gilt: "Was wie Kirche aussieht, da soll auch Kirche drin sein." Ausgeschlossen ist dabei die Nutzung durch eine nichtchristliche Glaubensgemeinschaft, zum Beispiel als Moschee. Wenn dennoch umgenutzt wird, hat das mit Respekt zu geschehen. Keinesfalls sei ein Kirchenbau wie eine beliebige Immobilie zu behandeln, sagt Winfried Haunerland, Professor für Theologie an der Universität München. So sei es bei der Kirche Christkönig in Kaiserslautern geschehen, wo der entkernte Innenraum mit Luxus-Eigentumswohnungen verbaut wurde. Als gelungen kann dagegen die Umnutzung einer Kirche in Bad Kreuznach gelten, die als Bibliothek Raum und Ausstrahlung behalten hat. Der Umnutzungszweck muss angemessen sein, darin ist man sich allerorts einig. Kulturelle und gemeinnützige Zwecke sind zu bevorzugen, gemeinnützige Organisationen und Verbände sollen vor privaten Käufern gehen.

Doch zuweilen werden auch schlicht die Grenzen des guten Geschmacks überschritten wie im holländischen Maastricht wo eine entwidmete gotische Kirche mit Kloster zum Luxushotel umfunktioniert ist, deren Hochaltar als Bar dient. In Köln beherbergt eine Kirche ein Kabellager. Keine Frage: Auch Kirchengemeinden müssen wirtschaftlich denken. Wer allerdings sieht, wie schnell bisweilen Gemeinden ihre Kirchen aufgeben, dem fällt ein Wort von Gertrud von Le Fort ein. "Es sind nicht die Gottlosen, es sind die Frommen, die Jesus Christus ans Kreuz geschlagen haben".

Extra

Prominente Beispiele von Kirchenumnutzung in der Region: Abteikirche St. Maximin, Trier: Umnutzung als Sport-und Konzerthalle seit 1995 Klosterkirche des Augustinerklosters, Trier: Umnutzung als Ratssaal der Stadt Trier seit 1967 Klosterkirche des Zisterzienserinnenstifts Kloster Machern, Bernkastel-Wehlen: Umnutzung als Konzertsaal und Restaurant, Erhalt des Chors, aktuelle Umnutzung seit 1969 Petruskapelle des Kanonikerstifts, Trier-Pfalzel: Umnutzung als Restaurant seit 1962 Kloster Marienhöh in Langweiler/Hunsrück (Zwischen Morbach und Idar-Oberstein): seit 2009 Umnutzung der Klosterkirche als Standesamt, Reste der Klosteranlage: Nutzung als Hotel (er)

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