Nicht nur für Opernfans

Dresden/Trier · Große Oper als Kino-Spektakel: Damit will eine Neuverfilmung des "Freischütz" derzeit das Publikum in die Lichtspielhäuser locken. Mit hochkarätiger Besetzung - darunter Franz Grundheber -, opulenter Ausstattung, bildstarken Massenszenen und High-Tech-Tricks werden nicht nur Opernfans angesprochen.

Opern-Filme sind ein ausgesprochen seltenes Genre geworden. Dass man eine aufgepeppte Theateraufführung abfilmt oder live überträgt, kommt schon mal häufiger vor. Aber Oper als großes Leinwand-Erlebnis, an Originalschauplätzen gedreht, mit Hunderten von Komparsen und moderner, konsequent eingesetzter Filmtechnik: Das traut man sich allenfalls mal als Vehikel für eine Star-Show mit Anna Netrebko und Rolando Villazon. Regisseur Jens Neubert geht da für seinen "Freischütz" einen ganz anderen Weg. Kein weichgezeichnetes Rührstück für Leute, denen die Operninszenierungen im Theater längst zu experimentell geworden sind. Aber auch kein Regie-Theater, das alle Nicht-Eingeweihten ratlos zurücklässt.

Neubert setzt auf einen - teilweise drastischen - Realismus. Sein "Freischütz" spielt in der Entstehungszeit Anfang des 19. Jahrhunderts, zur Zeit der napoleonischen Kriege. Keine schöne Epoche, eher eine der verrohten Landsknechte, des Aberglaubens, der Verwüstung von Menschen und Landschaft. Überall Gräber und Tod. Das spiegelt sich bei den Jägern Max und Kaspar wider, zwei vom Krieg gezeichnete Waffenbrüder auf psychischer Höllenfahrt. Kontrastierend zeigt Neubert die gutbürgerliche, behütete - aber letztlich auch bedrohte - Welt der Försterstochter Agathe, in deren Familie Max einheiraten soll.

Es sind kraftvolle, starke Bilder, die diesen Film ausmachen. Und der geschickte Umgang mit der Musik - dem "Hauptproblem" jedes Opernfilms. Zu sehen sind keine abgefilmten Sänger bei der Arbeit, sondern Menschen, die singend ihre Gefühle ausdrücken - manchmal auch als Traumsequenz oder Untermalung. In den besten Momenten wird es zur Normalität, dass gesungen wird - ein größeres Kompliment kann man der Regie kaum machen.

Das geht aber nur dank einer herausragenden Darsteller-Riege. Michael König (Max) und Michael Volle (Kaspar) spielen die Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs mit vollem Stimm- und Körper-Einsatz, Juliane Banse liefert als Agathe eine brillante Charakterstudie in Blicken und Gesten, und Newcomerin Regula Mühlemann, als Ännchen bildschön wie die Heldinnen in alten tschechischen Märchenfilmen, steht vor einem beachtlichen Karrieresprung. Luxuriös, wie sich die Produktion für Nebenrollen richtig edle Künstler leistet: Franz Grundheber, René Pape, Olaf Bär zeigen, dass Sänger auch große Darsteller sein können. Minutenlang schwelgt die Kamera in Großaufnahmen von Grundhebers Fürst Ottokar. Daniel Harding lässt die Londoner Sinfoniker dazu opulent aufspielen - fürs Theater manchmal eine Spur zu viel Pathos, aber die Kinoleinwand kann's vertragen. Vor allem, wenn es in der Wolfsschlucht-Szene mit ihren übersinnlichen Mächten filmtechnisch zugeht wie im neuesten Harry Potter.

Extra

Carl Maria von Weber schrieb den "Freischütz" 1821. Bis heute ist die Geschichte um den Jäger Max, der Angst hat, vor seiner Einheirat in einen Förster-Haushalt einen Probeschuss zu absolvieren und sich deshalb mit dem Teufel einlässt, eine der beliebtesten deutschen Opern. Sie enthält etliche "Hits" (Jägerchor, "Wir winden dir den Jungfernkranz", "Leise, leise"). Der Regisseur Jens Neubert drehte seine Verfilmung an Originalschauplätzen in Sachsen, mit mehr als 600 Komparsen. Die Produktion einer Schweizer Filmfirma kostete vier Millionen Euro - ohne öffentliche Förderung. Zu sehen im Broadway-Kino Trier am 30. Dezember sowie vom 2. bis 5. Januar, jeweils 16.35 Uhr. (DiL)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort