Nicht von dieser Welt

Luxemburg · Auch in Luxemburg wurde ihr Auftritt zum Triumphzug: Koloratur-Sängerin Cecilia Bartoli, begleitet vom Kammerorchester Basel, brachte mit ihrem Programm "Sacrificio" die Philharmonie zum Toben. Die Sängerin wurde gefeiert wie ein Popstar.

Was braucht es mehr für ein denkwürdiges Konzert als eine Künstlerin, die nicht nur die Weltbeste ihres Fachs ist, sondern auch so wirkt, als würde sie jede Sekunde des Auftritts genießen. Und ein Publikum, in dem sich jeder schon deshalb als Glückskind fühlt, weil er es geschafft hat, eine der begehrten Karten zu ergattern.

La Bartoli in der Philharmonie: Da singt ein Mensch, dessen Stimme offenbar keine Grenzen gesetzt sind. Der jeden Koloratur-Achttausender erklimmt, als sei es ein Spaziergang auf den nächsten Ausflugshügel. Der nach gelungenen Kunststücken ins Publikum strahlt wie ein Torero, der gerade den Kampf seines Lebens gewonnen hat.

Sie an ihrer schieren Virtuosität zu messen, würde Cecilia Bartoli nicht gerecht - obwohl sie mit der unvergleichlichen Handhabung des Instrumentes Stimme den meisten Jubel einheimst. Aber das könnte leicht in Zirzensik umkippen, wäre da nicht ein filigranes Gefühl für die musikalische Gestaltung.

Es sind die ganz, ganz leisen Töne, die am nachhaltigsten beeindrucken. Die Piani treffen über das Ohr direkt ins Herz, ohne Umweg durch die kleinen grauen Zellen der Reflektion. Bemerkenswert der Mut, ein Lamento wie Händels "Lascia la spina" so langsam zu singen, dass es unmerklich in ein schwereloses Schweben in der Melancholie übergeht, losgelöst von allem Irdischen. Es sind Momente, in denen ein vom Hustenreiz geplagter Zuhörer lieber lautlos ersticken würde, als den Zauber des Augenblicks zu stören.

Das steht im reizvollen Kontrast zur Abteilung Attacke, wenn die Bartoli im prächtigen Fantasie-Aufzug der Kastraten (denen das Programm gewidmet ist) auf die Bühne stürmt, angefeuert und beseelt von einem Klangkörper (Leitung: Julia Schröder), der Präzision und Prägnanz miteinander verbindet. Bei den 25 Musikern des Baseler Kammerorchesters vibriert die Spannung, bleibt nichts im Ungefähren.

Und dann geht bei Bartoli die Post ab, jagen sich die Triller und Ton-Figurinen, lauscht man immer atemloser dem Drahtseilakt mit den wiederentdeckten Arien von Barock-Komponisten wie Porpora, Vinci oder Caldara.

Der Abschied nach zwei Stunden fällt schwer. Man hat das Gefühl: auf beiden Seiten. Die Arie der Zauberin Melissa aus Händels "Amadigi" als Zugabe, das Publikum erstürmt sich eine weitere. Die Kastraten sollen ihre Zuhörer einst in die Raserei gesungen haben. Weit ist die Bartoli nicht davon entfernt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael Bolton Vom erwischt werden
Aus dem Ressort