Kultur Nivea-Werbung und verliebte Herzen mit dem Bujazzo

Trier · In der Europahalle wohnten 300 Menschen einem besonderen musikalischen Projekt bei: Schwarz-weiß Filme und Musik gingen Hand in Hand.

 Für einen satten Sound und viel Abwechslung sorgte das Bundesjugendjazzorchester unter der Leitung von Niels Klein.

Für einen satten Sound und viel Abwechslung sorgte das Bundesjugendjazzorchester unter der Leitung von Niels Klein.

Foto: Christina Bents

Die Hummerfischerei in England war Thema eines der gezeigten Filme des Programms „klingende Utopien – 100 Jahre Bauhaus“ des Mosel Musikfestivals in der Europahalle. Ebenso waren ein Werbefilm zu Nivea-Produkten aus den 1920er Jahren oder ein Scherenschnitt mit dem Titel „Das Ornament des verliebten Herzens“ zu sehen, die vom Bundesjugendjazzorchester (Bujazzo) vertont wurden. Für filmische und musikalische Abwechslung war also gesorgt. Acht ausgewählte Bauhausfilme wurden insgesamt gezeigt. Das Georg Eastman House, in Rochester, New York, das weltälteste Museum der Fotografie mit bedeutendem Filmarchiv, hat die Filme digitalisiert und zur Verfügung gestellt.

Los ging es mit einem satten Swingsound des Bundesjugendjazzorchesters zu einem Werbefilm aus 1922, der für Excelsior Reifen warb. Zu dem im Bild rollenden Reifen passten die wellenförmigen Bewegungen der Musik sehr gut und unterstrichen die Handlung. Als es an Dramatik im Film zunahm und gezeigt wurde, dass die Reifen auch Angriffen spitzer Gegenstände widerstehen können, wurde auch die Musik spannungsgeladener und lauter.

Eine filmische Sozialstudie über den Hafen von Marseille folgte. Der Film ist von László Moholy-Nagy, einem der bedeutendsten Lehrer am Bauhaus, der unter anderem mit Walter Gropius Bücher herausgab. Er beschäftigte sich mit nichtgegenständlicher Malerei, Fotografie und arbeitet als Regisseur. Die lebendigen Phasen des Films, beispielsweise Personen, die geschäftig im Hafen arbeiten, werden mit präzisen Einwürfen und dichter Tonfolge der Bläser unterstrichen. Ein sich ausruhender Mann auf einem Boot bekommt von den Musikern ein Echo gespielt und die Schmiede, in der die Funken sprühen, unterlegen sie mit Trillern. Die Musik wurde von verschiedenen Komponisten für die Filme erarbeitet, beispielsweise von Ansgar Striepens, Komponist und Posaunist, Christopher Dell, Vibraphonist und Komponist oder der Jazzpianistin Julia Hülsmann. Abstrakt wurde es mit „Lichtspiel schwarz, weiß, grau“, einem Streifen, in dem eine Lichtskulptur zu sehen ist, die grafische Formen hat und deren Schatten ineinanderfließen. Dazu gab es Musik, die klang, als seien die Noten kaputt, die einzelnen Sätze spielten durcheinander, die Töne an- und abschwellend, dazu gab es schnelle Läufe. Einzig das Schlagzeug gab dem Stück eine durchgehende Struktur. Die Schwierigkeit, die Musik passend zur jeweiligen Handlung zu spielen, meisterten die Musiker durch den Dirigenten und den Schlagzeuger fast immer punktgenau.

In „Großstadtzigeuner“ konnte man das Leben der Zigeuner sehr realistisch sehen, durch schnelle Schnitte, verschiedene und sehr nahe Einstellungen. Spielende Kinder, sich unterhaltenden Männer, wurden von den Saxofonen so belgeitet, als würden sie sie mit ihren Tönen synchronisieren. Bei den tanzenden Menschen nahmen die Musiker den Rhythmus auf und verstärkten so die Stimmung, die immer ausgelassener wurde, und schließlich in einem rasanten Tempo endete. Bei „Berliner Stilleben“, war der Chor des Bundesjugendjazzorchesters mit dabei, die mit ihren langen Silbenläufen die Strukturen unterstützen. Es wurden viele grafische Muster, wie Straßenbeläge mit verschiedenen Anordnungen, gezeigt. Ein Scherenschnitt, der zwei Verliebte darstellt, und dem Orchester weiche Töne entlockte, bildete dazu einen erfrischenden Kontrast. Zum Schluss gab es den Film Lobsters, zu dem Professor Niels Klein, musikalischer Leiter des Bundesjugendjazzorchesters, die Musik schrieb. Er meinte: „Das ist so merkwürdig und bizarr, dass ich die Musik selbst geschrieben habe.“ Dabei wirkte die Musik gar nicht bizarr, sondern begleitete die Handlung, so dass der Film mehr Emotionen bekam, beispielsweise, wenn zwei Musiker den Kampf zweier Lobster mit Solos begleiteten.

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