Odyssee über fünf Inseln

Ebenso spannend wie unkoventionell startete "Maximierung Mensch", das größte Schauspielfestival, das in Trier je stattgefunden hat. Es ging auf eine gut dreistündige "Autoren-Odyssee" durch ungewöhnliche Spiel-Orte in der Trierer City, in denen kleine Stücke zeitgenössischer Autoren aufgeführt wurden.

Trier. Fast wären sich Trierer Hochkultur und zeitgenössisches Theater an diesem schwülen Mai-Abend begegnet. Aber nur fast. Da zog der gut hundertköpfige Tross der "Autoren-Odyssee" auf dem Weg zum Schauplatz "Viehmarkt-Parkhaus" wie eine Demo an der Sparkassen-Zentrale vorbei, wo Star-Bariton Franz Grundheber vor geladenem Exklusiv-Publikum seinen "Wozzeck"-Bildband präsentierte. Drinnen saßen die offiziellen Kultur-Repräsentanten, draußen marschierte das junge Publikum, das sie so händeringend suchen. Die wie immer grandiose Trierer Kulturtermin-Koordination sorgte dafür, dass sie sich an diesem Abend nicht begegnen konnten. Schade eigentlich. Denn die "Autoren-Odyssee" erwies sich als ausgesprochen gelungener Auftakt für den Versuch, über das Festival "Maximierung Mensch" aktuelles Schauspiel von lebenden Autoren nach Trier zu bringen.Zum Start im Broadway-Kino war eigens Kultur-Staatssekretär Joachim Hofmann-Göttig angereist, und er konnte die beruhigende Kunde mit nach Mainz nehmen, dass der großzügige Sonderzuschuss der Landesregierung für das Festival gut angelegt ist. Als "Wegzehrung" für die lange Theater-Reise gab es eine pfiffige Themen-Einführung zum Slogan "Maximierung Mensch" von der studentischen "Green Man Group", die in ihren grünen Kostümen die gesamte Odyssee von Schauplatz zu Schauplatz geleitete. Im Broadway war "Heimlich bestialisch" zu sehen, ein Stück von Claudia Grehn um die letzte Lebensphase eines krebskranken Vierzigjährigen. Die szenische Einrichtung (Matthias Kuhlemann) war eher blass, die Texte kamen weniger kraftvoll und frisch über die Rampe als man es bei der hoch gehandelten Kleist-Nachwuchspreisträgerin erwartet hätte. Um so eindrucksvoller Christian Lollikes "Das Wunderwerk oder the Re-Mohammed-TY-Show". Ein Hammer-Text, eigentlich ein Hörspiel, aber vor den Karstadt-Rolltreppen brillant in Szene gesetzt von Regisseurin Judith Kriebel und einem starken Schauspieler-Quartett. Ausgehend von den skandalträchtigen Aussagen der Künstler Karl-Heinz Stockhausen und Damien Hirst über den "Kunstwerk-Charakter" der Anschläge vom 11. September, entwickelt sich eine wortmächtige, von zynisch bis grottenkomisch reichende Auseinandersetzung mit der Frage, wie man Kunst in der modernen Mediengesellschaft definiert. Und wie brutal "Ästhetik" sein muss, um Menschen angesichts der Reiz-Überflutung überhaupt noch zu erreichen. Da riskierten sogar die Karstadt-Security-Männer einen zwischen Staunen und Zweifeln wechselnden Blick auf die Szenerie. Noch ein bisschen nach Schülertheater klang Anja Hillings Erstling "Sterne", eine tragische Drogen- und Beziehungsgeschichte zwischen zwei jugendlichen Paaren, die Florian Burg im "Chat noir" am Kornmarkt als Vexierspiel mit rätselhaften Andeutungen inszenierte. Der Idee einer theatralischen "Odyssee" durch Alltags-Orte einer Stadt kam ohne Frage Indira Rautenberg in der Viehmarkt-Tiefgarage am nächsten. Die "Location" selbst als zentraler Akteur: Allein ein grellweißer Scheinwerfer, die grauen Betonträger und der phänomenale Hall lieferten den Rahmen für Dea Lohers gewaltigen Monolog "Land ohne Worte", von Claudia Felix eindrucksvoll gesprochen. Die geradezu selbstzerstörerische Selbst-Befragung einer Malerin, die angesichts der Kriegs-Kulisse in Kabul begreift, dass all ihre Kunst, aber auch der Horizont des Kunst-Konsumenten nicht ausreicht, um das menschliche Leid in Bilder zu bannen. Ein Erlebnis. Zum Finale gab's eine Melange, wie sie nur in Österreich entstehen kann: Martin Klaus Maria Menzingers "Trixi Baby", eine mal beinharte, mal pervers-komische Sammlung von Wortkaskaden, die in ihren anzüglichen Anspielungen Themen wie Inzest und Pädophilie ins Rampenlicht zerrt. Gerhard Weber setzte im Szene-Club "Forum" auf Skurriles, sorgte aber gelegentlich dafür, dass einem das Lachen im Hals stecken blieb. Trotz drückender Witterung und vieler Ortswechsel blieben die Zuschauer drei Stunden bei der Stange. Beifall für die Schauspiel-Truppe vom Theater Trier. Und Daumendrücken für das Dacapo: Am heutigen Donnerstag beginnt um 22.15 Uhr im Broadway die zweite Runde der "Odyssee". Der Eintritt ist frei. "Maximierung Mensch" geht weiter mit dem Gastspiel "Ulrike Maria Stuart" von Elfriede Jelinek (heute, 20 Uhr, Theater), der Aufführung "Festung Europa" (Freitag, 18.30 Uhr, Hauptbahnhof) und dem Gastspiel "Kommt ein Mann zur Welt" (Samstag, 20 Uhr, Theater). Es gibt noch Karten. Info: www.maximierung-mensch.de

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