Paukenschlag? Nein, Flötentöne!

Die Spannung blieb nicht aus bei diesem Debüt des neuen Generalmusikdirektors. Aber am Ende hatte Victor Puhl mit seinem grundehrlichen und ausdrucksbewussten Dirigat alle für sich eingenommen.

Trier. Paukenschläge? Wuchtige Klangfassaden? - Generalmusikdirektor Victor Puhl gibt seine erste Eins zu anderer Musik: Einer sanften, weit gezogenen Linie der Geigen, der zwei Flöten ein weichen, hellen Schimmer verleihen. Der Anfang von Benjamin Brittens "Sea Interludes" ist leise und heikel, und noch im Gelingen bleibt die Anstrengung des Philharmonische Orchesters spürbar.

Victor Puhl hat für das 1. Symphoniekonzert der Saison im Trierer Theater kein Schonprogramm konzipiert. Brittens Komposition fordert das Orchester, und im letzten stürmisch bewegten Stück lauert die Gefahr konturenloser Lautstärke. Trotzdem zeichnet sich die herbe Farbfülle dieser Musik ab.

Aber dann betritt Lyonel Schmit das Podium und versetzt alle im Saal in eine andere Welt. Wer hätte gedacht, dass dieser junge, kaum dem Namen nach bekannte Geiger in der "Symphonie espagnole" Edouard Lalos so viel Wärme, Kraft und Substanz entfalten würde? Sein Ton ist groß, energisch, reich an Farben. Immer steht er verstehend und gestaltend über der Musik - im sorgfältig kontrollierten Vibrato, in der sicheren Bogentechnik, der Souveränität im Zusammenspiel mit dem Orchester.

Uneitles Dirigat verbindet Partner



Und das war das zweite Faszinosum: Mit Ausnahme weniger Partien verstehen sich Solist, Dirigent und die Philharmoniker prächtig; Victor Puhls uneitles Dirigat verbindet die Partner so, dass ein echter Dialog entsteht.

Triers neuer Generalmusikdirektor ist kein Mann der publikumswirksamen Dirigiergesten. Er schlägt Details aus, beleuchtet Strukturen und zielt auf Ausdruck - bisweilen so heftig, dass er in die Luft springt und zum Missvergnügen mancher Besucher klappernd auf dem Podium landet. Aber er gewinnt das Publikum mit seinem grundehrlichen und grundmusikalischen Dirigat. In Debussys "Prélude à l'après-midi d'un faune" lässt er Flöte und Harfe weiten Spielraum, arbeitet die Nebenstimmen heraus, zielt auf ein atmendes Musizieren. Und zum guten Ende die "Bilder einer Ausstellung" von Mussorgsky/Ravel. Da distanzieren sich Orchester und Dirigent von jeder pseudo-expressionistischen Unklarheit; die Klangflächen von Ravels Instrumentation werden von den Philharmonikern deutlich abgegrenzt und schließen doch aneinander an. Die Feinheiten, die originellen Nuancen und Zwischentöne in Mussorgskys genialer Komposition sind da - exemplarisch auch in den "Küken und den Eierschalen mit den liebevoll grotesken Zügen. Und nicht im eher lärmenden Ende, sondern zu Beginn der Schlussphase stellt sich ein, was man dem Philharmonischen Orchester und seinem Leiter vor allem anderen wünschen möchte und was gerade im Trierer Theater so schwer zu realisieren ist: der weite, sich räumlich entfaltenden Klang, der nicht nur Spannung ausstrahlt, sondern auch Souveränität.

TERMINE

2. Symphoniekonzert am 9. Oktober. Werke von Christian Jost, Dimitri Schostakowitsch und Franz Schubert. Tatjana Blome, Klavier. 3. Symphoniekonzert am 14. November. Werke von Messiaen, Elgar und Dvorak.

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