Perfekt ohne Überschwang

Leif Ove Andsnes tritt in Anzug und offenem Hemd auf. Doch sein Klavierspiel ist nicht leger, sondern höchst diszipliniert.

Luxemburg. (mö) Leif Ove Andsnes - welch ein wunderbar klares, diszipliniertes, markant-tonschönes und von ausgeprägtem Formbewusstsein getragenes Klavierspiel! In Bachs e-Moll-Toccata (BWV 914) verbindet er spielerische und streng kontrapunktische Elemente faszinierend zu einer geschlossenen Form. Beethovens Sonaten op. 27, "quasi una Fantasia", entfalten ein Ausdrucksspektrum von gedankenreicher Lyrik bis hin zu hintergründiger Ausgelassenheit. Schumanns "Kinderszenen" gibt Andsnes einen liebevoll-distanzierten Tonfall - Kindheit aus teilnahmsvoller Erwachsenen-Perspektive. Und wie geradlinig und doch farbenreich, wie nuanciert, nobel und delikat klingen die drei Chopin-Kompositionen zum Schluss des Konzerts!

Pianistisch steht alles zum Besten, und doch fehlt etwas. Der zweite Satz der Beethoven-Sonate op. 27,1 rauscht blass und aussagearm vorbei. Zum Finale der Sonate op. 27,2 mit seiner enormen Entwicklungs-Dynamik verhält sich Andsnes merkwürdig distanziert. Und bei aller Deutlichkeit und Sensibilität - zur zarten Poesie der "Kinderszenen" fand Andsnes an diesem Abend nicht immer eine Beziehung. So klang in diesem Klavierabend auch eine unterkühlte Klassizität mit - Perfektion ohne Überschwang. Trotzdem hellste Begeisterung in der voll besetzten Philharmonie.

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