Perlen, Blumen, Freiheit, Glück

Trier · Schon vor der Premiere am Samstag entwickelt sich das Musical "Hair" zum Renner der Trierer Theatersaison. Die Erwartungen sind hoch, die Karten begehrt. Intendant Gerhard Weber inszeniert das Nostalgie-Schmankerl aus der Flower-Power-Zeit als großes Spektakel unter Einbeziehung aller Sparten des Hauses.

Trier. Gerhard Weber war 18, als die Hippies 1968 mit "Hair" den Broadway eroberten. Als in ordentlichen deutschen Familien der Hemdkragen die haarige Trennlinie zwischen Krieg und Frieden markierte. Als die ersten Jungs, die sich mit einer "Matte" in die Schule trauten, von Oberstudienräten verprügelt wurden, die einst schon dem Führer treu gedient hatten.
Nadine Eisenhardt, Jörn-Felix Alt und Matthias Stockinger sind in den 1980ern geboren. Da waren die Hippies längst wieder out - und Eltern, die sich noch getraut hätten, ihren Kids Vorschriften in Sachen Haare zu machen, allenfalls Witzfiguren.
Die wilden Kostüme und zahllosen Perücken (fast 40 Akteure müssen behaart werden) haben für die drei Hauptakteure eher etwas von Karnevalsverkleidung. Und die Hare-Krishna-Gesänge sorgen für reichlich Heiterkeit auf der Bühne, die von überdimensionierten Plastikketten und -armbändern dominiert wird.
Und doch: Regisseur Weber will nicht nur einen nostalgischen Ausflug in untergegangene Welten. So hat er sich mit seinen Schauspielern den alten Woodstock-Film angesehen, um in die Atmosphäre der damaligen Zeit einzutauchen. "Ich wäre echt gern dabei gewesen", schwärmt Matthias Stockinger, der im Trie rer Ensemble längst über den Status eines Musical-Spezialisten hinausgewachsen ist. Und auch Jörn-Felix Alt, der erstmals in Trier gastiert, spricht von einer "spannenden Zeit", die "mehr bedeutet hat als ein Happening".
Alt und Stockinger spielen die Freunde Claude und Berger, der eine als Landei frisch nach New York gekommen, der andere ein Hardcore-Hippie. Im Schatten des Vietnam-Krieges und der drohenden Einberufung versuchen sie, ihren Traum von "Perlen, Blumen, Freiheit, Glück" zu leben - ohne Happy End.
Ensemble als Patchwork-Familie


Nadine Eisenhardt, in Trier als "My Fair Lady" gefeiert, verkörpert Sheila, die Dritte im Bunde dieser schrägen Wohngemeinschaft. Die Berlinerin ist begeistert davon, wie sich im Rahmen der Proben eine "große Patchworkfamilie" (Jörn-Felix Alt) entwickelt hat.
Das komplette Schauspielensemble ist am Werk, alle Tänzer des Hauses, Kollegen von der Oper, dazu ein Dutzend Nachwuchskünstler aus dem Umfeld der Musical-Abteilung der Trie rer Musikschule, Rockgitarrist Christoph Haupers und die Soulröhre Conny Hain, die sonst als Bratschistin im Orchester sitzt. Fast scheint es, als wollte Gerhard Weber die Unverwechselbarkeit und Leistungsfähigkeit seines Mehr-Sparten-Hauses demonstrieren. "Die Zusammenarbeit ist total bereichernd", berichtet Nadine Eisenhardt.
Als Regisseur hat sich Weber vorgenommen, nicht nur die malerischen Seiten des Hippie-Daseins zu zeigen, sondern auch die Spießerwelt, gegen die sich die Rebellion richtete. Manches davon bescherte dem Peymann-Schüler Déjà-vu-Erlebnisse. Aber er musste, sagt Weber ehrlich, "den Spirit der damaligen Zeit erst mal wieder hochladen". Vielleicht hat er deshalb seine Haare lang wachsen lassen - sogar über die Kragengrenze hinaus.
Künstlerisch hat er sich für die größte Produktion des Jahres mit dem Besten umgeben, was Trier zu bieten hat. Amy Share-Kissiov ("Falco") choreographiert, Fred Pommerehn ("Dornröschen") hat ein mächtiges Bühnenbild samt großer Brücke konstruiert, Alexandra Bentele ("West Side Story") darf bei den Kostümen aus dem Vollen schöpfen, Angela Händel ("Galilei", "Mutter Courage") dirigiert die städtischen Philharmoniker.
Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, schon gar nicht im Theater - aber das könnte was richtig Großes werden.Extra

"Hair", Rockmusical von Galt McDermot, Buch: Gerome Ragni und James Rado. Vorstellungstermine im Theater Trier: 22., 25. Februar; 1., 7., 14., 21., 26., 30. März; 9., 13., 26. April; 17. Mai; 1. Juni. Am 26. Juli gibt es eine Open-Air-Vorstellung am Losheimer See. Infos zur Produktion und Tickets: www.theater-trier.de; 0651/7181818. DiL

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