Auf Abschiedstour in Trier Sänger Peter Kraus: „Heute gehen die Teenie-Idole auf die Bühne und sagen, dass sie Hasch rauchen“

Luganersee/Trier · Vor 66 Jahren war er auf dem Titel der „Bravo“ — und auf der Bühne macht Peter Kraus auch mit 83 Jahren immer noch eine gute Figur. Warum er die Jugend von heute nicht beneidet, weshalb die aktuelle Chartsmusik oft aus „Kopien“ besteht und was ihn zur sechsten (!) Abschiedstournee treibt, das sagt er im TV-Interview.

Peter Kraus geht im nächsten Jahr wieder auf Tour – am 30. März 2023 spielt er in der Arena Trier.

Peter Kraus geht im nächsten Jahr wieder auf Tour – am 30. März 2023 spielt er in der Arena Trier.

Foto: picture alliance/dpa/dpa

Eigentlich hatten Sie Ihrer Frau Ingrid ja zur goldenen Hochzeit versprochen, nicht mehr auf Tournee zu gehen. Nun haben Sie Ihre nächste Abschiedstour angekündigt, die sie kurz nach Ihrem 84. Geburtstag auch nach Trier führen wird. Woher kommt der Sinneswandel?

Peter Kraus: Das hat sich in der Coronazeit ergeben, da ist aus der Freude am Musikmachen das Swingalbum „Idole“ entstanden. Das ist schon mein ganzes Leben lang meine Lieblingsmusik gewesen, schon bevor der Rock’n’Roll kam. Wir haben also die Platte auf den Markt gebracht – und das zieht dann immer einiges hinter sich, eben auch auf Tournee zu gehen – so kommt es eben nun zur sechsten Abschiedstournee. Mir macht es Spaß, auch im Alter noch das zu machen, was ich mein ganzes Leben lang geliebt habe. Deshalb mache ich weiter.

Was sagt Ihre Frau dazu?

Kraus: Wir haben die Tournee so gelegt, dass mehr freie Tage dazwischen liegen – ich spiele also keine 25 Tage mehr am Stück. Es ist noch nicht geklärt, ob sie dabeisein kann. Wenn es zu anstrengend ist, wird sie nicht mitfahren. Aber letztendlich fährt sie immer mit. (lacht)

Wie sind Sie auf die alte Liebe Swing gestoßen? Sie interpretieren Klassiker von Sammy Davis jr. oder Frank Sinatra – nur mit deutschen Texten.

Kraus: Ich habe mit meinen Musikern telefoniert, die mich gefragt haben, was ich mache – und ich sagte: Ich singe Swingmusik zu Playbacks, die ich im Internet finde. So ist das entstanden. In der heutigen Zeit ist eigentlich jegliche Art von Musik laut und zum Tanzen oder Mitklatschen, da fand ich es gut, mal wieder ein Album wie früher zu machen: besinnliche, ruhige Musik, bei der man relaxen kann und nicht rumhüpfen muss. Es hat mich sehr an meine Jugendzeit erinnert. Wir haben ja eine ganz andere Jugend erlebt. Wir sind nicht irgendwo hingegangen, um rumzuhüpfen, sondern haben uns erst mal hingesetzt und schöne Musik gehört, ein hübsches Mädel im Arm, ein Glas Wein in der Hand, alles bei Kerzenschein. Das war mein Jugendglück.

Die eigene Jugend wird ja gerne mal verklärt. Sie waren Mitte, Ende der 1950er ein Teenager – eine Zeit, die in Filmen und Erinnerungen gerne im Heile-Welt-Modus daherkommt. War das alles so hell – oder waren da Schattenseiten?

Kraus: Natürlich gab es Schattenseiten, das war ja eine Aufbauzeit. Die Leute waren nicht so verwöhnt. Wir waren glücklich über Kleinigkeiten und Dinge, die man heute als selbstverständlich annimmt. Gerade als junger Mensch war es eine herrliche, sehr ehrliche Zeit, die ich nicht missen möchte. Wir waren auch nicht so beeinflusst …

Anders als jetzt?

Kraus: Was ich furchtbar finde: Die Jugend von heute wird ja von allen Seiten vollgedröhnt, aus allen Himmelsrichtungen. Da wird gesagt, was sie tun sollen und müssen – es muss furchtbar sein, sich ständig zu entscheiden. Damals hatten wir fast nichts und waren über alles sehr glücklich. Clever sein und eigene Ideen haben, das war damals das Entscheidende. Das war auch bei mir so. Meine Rock’n’Roll-Sache hat auch so angefangen.

Wie lief das damals bei Ihnen?

Kraus: Mein Vorteil war: Ich kannte alles, was im Army-Sender AFN lief, weil ich dort Freunde hatte – da habe ich mir jeden Tag nach der Schule die neuesten Songs angehört. Ich habe mir das dann auf Gitarre beigebracht und war dadurch der Held bei den Mädels.

Sie waren selbst noch Teenager, als Sie der erste Rock’n’Roll-Star in Deutschland wurden – und ein Vorbild für viele Gleichaltrige und Jüngere. Wie sehr hat Sie diese Rolle im weiteren Leben geprägt?

Kraus: Es war nicht einfach, so populär und ein Teenie-Idol zu werden. Denn es war mit gewissen Auflagen verbunden – und das war auch gut: Ich war ein Vorbild für die Jugend und wollte das auch sein. Das hieß zum Beispiel: Bloß nicht mit Zigarette fotografieren lassen. Heute gehen die Teenie-Idole auf die Bühne und sagen, dass sie Hasch rauchen. Das ist anders geworden. Wenn man sich die alten Bilder anschaut, da habe ich Anzüge getragen und Krawatte, ich war gepflegt und ordentlich. Das war mir wichtig. Solche Vorbilder und Idole gibt es nicht mehr. Das braucht es aber auch nicht, weil es sowieso niemand annehmen würde, weil die Jugend ja auch anders reagiert als damals – die hingen mir damals an den Lippen.

Sie hatten damals in ganz Deutschland Fanclubs, auch im Trierer Exhaus entstand Ende der 50er einer. Sehen Sie sich da ein Leben lang in der Vorbildfunktion, auch mit Anfang 80?

Kraus: Den Freiburger Fanclub gibt es schon seit 1956 und auch immer noch, aber das nur am Rande. Es verschiebt sich. Aber die Rolle, denke ich, die bleibt. Ich empfinde die Platte als eine Art Pflicht, den Fans was zu geben, aber auch der Jugend zu zeigen, dass es noch eine andere Musik gibt. Das ist die Musik meines Lebens – und die weiterzugeben, finde ich unheimlich toll. Der ganze Musikmarkt hakt doch daran: Es wird nur kopiert, was Erfolg hat, und deshalb entwickelt sich nichts Neues. Daher ist es wichtig, dass noch Leute da sind, die Musik aus dem Herzen und dem Bauch heraus machen und nicht mit Blick auf die Charts. So lange es solche Musiker gibt, besteht noch Hoffnung. Ansonsten ist es nur noch eine Soße, die bei der Jugend ankommt – und die Jugend kann ja nichts dafür.

„Für immer jung – das Geheimnis meines Lebens“ heißt ihre Autobiografie. Verraten Sie uns doch mal in Kürze das Geheimnis ewiger Jugend.

Kraus: Es ist ja schon einige Jahre her, dass ich das geschrieben habe. Das ist eine Traumvorstellung. Ich habe einen herrlichen Beruf und wusste mein ganzes Leben lang, dass mein Erfolg nicht nur am Singen liegt, sondern auch daran, wie ich aussehe und wie ich mich bewege. Das ist ein Gesamtbild. Es ist mir natürlich bewusst, dass es keinen Menschen interessieren würde, wenn ich als alter Greis auf der Bühne „Sugar Baby“ singen würde. Ich habe den Vorteil, dass ich mein ganzes Leben lang das Ziel hatte, jung zu bleiben – so meinte ich das damals in dem Buch. Ich verstehe das durchaus, wenn jemand in Pension geht und sagt: ‚Ich lass mich jetzt gehen, was interessiert mich, ob ich einen Bauch habe oder nicht‘. Bei mir darf das nicht sein. Inzwischen habe ich mich so daran gewöhnt, dass ich mir das nicht anders vorstellen kann.

Bei aller Fitness: Wie schwer fällt Ihnen das Älterwerden?

Kraus: Mein Gott, das sind Dinge, über die ich nicht nachdenke. Ich hänge weder an der Vergangenheit, noch denke ich wahnsinnig viel an die Zukunft. Ich versuche immer, die Gegenwart voll zu genießen und richtig zu leben. Ich bin kein Grübler, kein Planer und kein Nostalgiker, nichts dergleichen.

Sie lassen sich auch gerne mal auf was Neues ein – so machten Sie in Verkleidung bei „The Masked Singer“ mit. Wie kam es dazu?

Kraus: Ich wurde gefragt, ob ich mitmachen will und fand die Vorstellung lustig. Das war eine richtig aufregende Geschichte, denn so nervös war ich noch nie auf der Bühne – normalerweise bin ich nicht aufgeregt, weil ich weiß, was ich normalerweise mache. Aber da steckte ich in einer Rolle, die ich verkörpern musste, ich musste auch daran denken, die Stimme zu verstellen – das war anstrengend, aber auch eine tolle Aufgabe.

Ein anderer Fernsehauftritt vor wenigen Jahren verlief weniger erfreulich. Bei der ARD-Show „Spiel für dein Land“ kollidierten Sie bei einem Spiel mit Marcel Reif und Axel Prahl – und brachen sich dabei die rechte Schulter, machten aber erst mal weiter. Sind Sie einfach schmerzfrei, wenn Sie eine Aufgabe angehen?

Kraus: Ich habe zwar weitergemacht, muss aber dazu sagen: Ich habe viele verrückte Dinge in meinem Leben gemacht und hatte das wahnsinnige Glück, dass ich zuvor nie einen größeren Unfall hatte. Keine Knochenbrüche, nichts. In diesem Moment hatte ich einfach den Gedanken: Es kann nichts passiert sein, weil noch nie etwas passiert ist. Es tut einfach nur momentan höllisch weh. Deshalb habe ich weitergemacht. Das war dann aber nicht so.

Dann muss die Diagnose danach umso niederschmetternder gewesen sein …

Das Cover des Albums „Idole“, das im Juni erschienen ist.

Das Cover des Albums „Idole“, das im Juni erschienen ist.

Foto: picture alliance/dpa/Telamo Musik/dpa
 17 Jahre jung und auf dem Weg zum Erfolg: Peter Kraus (rechts), der Sohn des österreichischen Schauspielers Fred Kraus, zeigt mit Freunden eine rasante Rock‘n‘Roll-Darbietung (Archivbild vom Dezember 1956).

17 Jahre jung und auf dem Weg zum Erfolg: Peter Kraus (rechts), der Sohn des österreichischen Schauspielers Fred Kraus, zeigt mit Freunden eine rasante Rock‘n‘Roll-Darbietung (Archivbild vom Dezember 1956).

Foto: picture-alliance / dpa/dpa
Die Bildkombo zeigt Titel der Bravo von 1959 mit Peter Kraus (l-r), die erste «Bravo» vom 26.08.1956 und vom 20.01.1969 mit Uschi Glas (undatierte Aufnahmen). Für Millionen Teenager war sie der Inbegriff der Jugend, jetzt nähert sich die «Bravo» langsam dem Rentenalter. Am 26.08.2016 wird sie 60. Foto: Bauer Media Group/BRAVO/dpa (ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und nur bei Nennung: «Foto: Bauer Media Group/BRAVO/dpa») +++ dpa-Bildfunk +++

Die Bildkombo zeigt Titel der Bravo von 1959 mit Peter Kraus (l-r), die erste «Bravo» vom 26.08.1956 und vom 20.01.1969 mit Uschi Glas (undatierte Aufnahmen). Für Millionen Teenager war sie der Inbegriff der Jugend, jetzt nähert sich die «Bravo» langsam dem Rentenalter. Am 26.08.2016 wird sie 60. Foto: Bauer Media Group/BRAVO/dpa (ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und nur bei Nennung: «Foto: Bauer Media Group/BRAVO/dpa») +++ dpa-Bildfunk +++

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Kraus: Ja, sicher, das war niederschmetternd. Aber das habe ich alles gut überstanden, war letztlich kein Problem. Ich hatte tolle Ärzte gefunden, habe auch eine OP vermeiden können und jetzt ist alles wieder okay. Jetzt tut halt der linke Arm weh. Nein, nein – das ist nur ein Gag.

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