14.000 Zuschauer in Köln Genesis macht Schluss: So war eines der letzten Konzerte der Band mit Phil Collins

Köln · Wieder Weltstars in der vollen Lanxess-Arena in Köln – das hat es seit über zwei Jahren nicht mehr gegeben. Im Fall der britischen Rock-Legende Genesis wird es das auch nicht mehr geben. Für die Band ist nach der Tour Feierabend. So war‘s in Köln.

 Im Trainingsanzug auf dem Drehstuhl: Der körperlich angeschlagene Phil Collins ist mit Genesis zum letzten Mal auf Tour. 

Im Trainingsanzug auf dem Drehstuhl: Der körperlich angeschlagene Phil Collins ist mit Genesis zum letzten Mal auf Tour. 

Foto: dpa/Britta Pedersen

Genesis – das ist die Schöpfungsgeschichte des Progressive-Rocks, ein wichtiger Teil davon jedenfalls. Theatralisch und verschroben, verkopft und very british, mit Frontmann Peter Gabriel in wechselnden Kostümen. Etwa im roten Kleid und mit Fuchskopf. Oder als Greis mit Maske, am Ende von „The Musical Box“, verzweifelt um menschliche Nähe flehend. Dahinter trommelt der junge Phil Collins als gebe es kein Morgen. Die Mähne weht, die Zeit fliegt. Das ist 50 Jahre her. Verdammt. Und heute?

Wer das so unterschreibt, sagt vielleicht auch: Genesis – das ist eine Erschöpfungsgeschichte des Stadionrocks. Einfache Pop-Harmonien, glatte Produktionen, Musik für die Massen. Der VW Golf unter den Rockbands war unfassbar erfolgreich, zuverlässig und nicht gerade aufregend. Der „Invisible Touch“ der 80er: Tausend Mal gehört, tausend Mal hat’s nicht berührt. Beim Konzert in Köln ist das der letzte Song vor den Zugaben, die Fans hält es zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr auf ihren Sitzplätzen, aber es ist nicht der Gänsehaut-Moment. Den gibt‘s beim ewig schönen „Carpet Crawlers“, beim barocken „Firth of Fifth“ oder auch bei „Throwing it all Away“ – vor allem, weil dort im Hintergrund so viele alte Fotos und Videos zu sehen sind.

Auf der Bühne trägt niemand mehr Maske. Dafür alle im Publikum

Es geht um Nostalgie und Normalität an diesem Abend, um etwas Wehmut und – ja, ein bisschen auch ums Altwerden. Es ist der Abschied von einer ganz großen Band der Rockgeschichte. Und zugleich die Rückkehr der alten Liebe Live-Erlebnis: 14.000 Leute sind in der ausverkauften Lanxess-Arena. Bei allen drei Shows in Köln. Die letzte steht am kommenden Samstag an. Einer von vielen Unterschieden zu den frühen 70ern: Auf der Bühne trägt niemand mehr eine Maske. Dafür alle im Publikum, auch am Platz. 

Für die Simplifizierung wird gerne mal Phil Collins persönlich verantwortlich gemacht. Er ersetzte Peter Gabriel nach dessen Abschied 1975 als Sänger. In der Folge wurde die Band noch viel erfolgreicher als zuvor. Collins wurde solo zum Star, wegen seines Privatlebens auch wider Willen im Boulevard.

 Der letzte Dominostein: Phil Collins, Tony Banks und Mike Rutherford werden nach den Auftritten im Frühjahr nicht mehr gemeinsam auf die Bühne gehen. 

Der letzte Dominostein: Phil Collins, Tony Banks und Mike Rutherford werden nach den Auftritten im Frühjahr nicht mehr gemeinsam auf die Bühne gehen. 

Foto: dpa/Britta Pedersen

Genesis 2022: Mehr Stadion als Theater

Aber was ist Genesis 2022 nun? 15 Jahre nach der letzten Tour, die dann doch nicht wie angekündigt der Abschluss war?  Eine Band, die zwar keine Maßstäbe mehr setzt, die aber auch nicht nur die eigene Historie verwaltet. Es ist mehr Stadion als Theater, das schon. Die 80er sind im finalen Bühnenprogramm sehr präsent, aber auch das Frühwerk wird angespielt, wenn auch manchmal nur in Auszügen. Selbst ein weltweit zig-millionenfach verkauftes Album wie „Invisible Touch“ von 1986 hatte den Prog-Rock nicht komplett aus den Augen verloren: Das zehnminütige „Domino“ ist ein Höhepunkt des Konzerts. Das von Keyboarder Tony Banks betextete Anti-Kriegs-Lied hat zudem traurige Aktualität gewonnen. Der Domino-Effekt: Wer als nächstes an der Reihe ist, wird fallen, Stein um Stein. Keine Chance, das zu verhindern. Für die politische Lage hat Phil Collins nicht viele Worte übrig – er verurteilt in der Ansage vor „Land of Confusion“ Putins Krieg gegen die Ukraine. Aber für die großen Reden und den Blick in die Zukunft ist er nicht hier.

Es reicht schon, dass das Ende von Genesis nah ist. Phil Collins wirkt auf der aktuellen Tour gebrechlicher als es der junge Gabriel je hätte spielen können. Er kann kaum noch gehen, es schmerzt fast, ihn die kleine Bühnentreppe hochächzen zu sehen. Beim Konzert sitzt er nach hinten gelehnt in einem Drehstuhl, er trägt einen schwarzen Trainingsanzug. 

Phil Collins weiß sehr genau, was er noch überzeugend singen kann

Der 71-Jährige macht es sich bequem, so gut es geht, einerseits. Andererseits wischt er schnell die Bedenken beiseite, er könnte zu seiner eigenen Karikatur geworden sein. Er kann längst kein Schlagzeug mehr spielen, aber Phil Collins macht Phil-Collins-Sachen: Er schlägt das Tamburin gegen Kopf und Ellbogen. Schickt im 80er-Hit „Mama“ seinen diabolischsten Blick auf die riesigen Videowalls. Und muss breit grinsen, während er in der Zugabe „a perfect body with a perfect face“ singt. „I Can’t Dance“ ist aus dem Jahr 1991. Neuer wird’s im Programm nicht mehr.

Gesanglich bekommt er Unterstützung von zwei Background-Sängern. Das ist eine gute Idee. Phil Collins weiß sehr genau, was er noch überzeugend singen kann und wo er Hilfe gebrauchen kann. Nach zweieinhalb Stunden und 23 Songs geht das Konzert zu Ende, die Setlist änderte sich auf der Tour bislang nicht. Das allerletzte Genesis-Konzert wird Ende des Monats in London zu sehen sein.

 Es sind die letzten Chancen, Genesis mit Mike Rutherford (Gitarre/Bass), Sänger Phil Collins und Keyboarder Tony Banks live zu erleben. Nach der „The Last Domino?“-Tour ist für die Briten Schluss.

Es sind die letzten Chancen, Genesis mit Mike Rutherford (Gitarre/Bass), Sänger Phil Collins und Keyboarder Tony Banks live zu erleben. Nach der „The Last Domino?“-Tour ist für die Briten Schluss.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Hinter ihm trommelt dann wieder ein junger Mann, als gebe es kein Morgen. Es ist sein Sohn Nicholas Collins, 20 Jahre alt. Er wird der Bühne noch ein paar Jahrzehnte erhalten bleiben. Das ist zumindest zu hoffen.  

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