Konzert Musik wie eine fantasievolle Umarmung

Luxemburg · Der Pianist Fazil Say beeindruckte mit seiner Komposition „Water“ in der Luxemburger Philharmonie.

 Pianist Fazil Say spricht die Zuhörer auf besondere Weise an.

Pianist Fazil Say spricht die Zuhörer auf besondere Weise an.

Foto: picture alliance / dpa/Angelika Warmuth

Die Philharmonie war ausverkauft. Und eine durch und durch positive Erwartungs-Spannung lag in der Luft. Fazil Say, der Pianist und Komponist türkischer Herkunft, ist in Mitteleuropa längst zu einer Kultfigur geworden. Was er erfand und am Klavier realisierte, ist weder elitär noch populistisch. Es ist eine Musik, die keine Distanz zum Publikum kennt. Die Hörer können sie als etwas Eigenes wahrnehmen. Fazil Say zielt dabei nicht auf Originalität; Vorbilder aus Impressionismus und Minimal Music lassen sich leicht ausmachen. Im Mittelpunkt steht etwas Anderes:  eine sanfte, einfühlende Begegnung von Musikern und Hörern.

Gleich im ersten Satz der dreiteiligen „Water“-Komposition entfaltet Say, entfaltet auch das Orchestre Philharmonique unter Dmitri Liss Klänge von verführerischer Anziehungskraft. „Blue Water“ lautet der Satztitel. Und auch im zweiten Satz, „Black Water“, und im dritten, „Green Water“, nehmen Komposition und Interpretation unmittelbar für sich ein. Es ist ein wunderbarer, organisch fließender Stil – Musik wie eine sanfte, fantasievolle  Umarmung. Sie überredet nicht und stößt nicht ab. Auch wenn der fließende Duktus des Kopfsatzes im zweiten Satz von stockenden Abläufen und dumpfen Trommel-Akzenten abgelöst wird und die Komposition im dritten Satz Naturgeräusche wie Vogelruf und Hahnenschrei integriert, stets bleibt die faszinierende, unmittelbare Nähe zum Hörer gewahrt.

War die „Leningrader“ von Schostakowitsch nach der Pause wirklich am rechten Platz? In einer Zeit, in der die sowjetische Periode lange zurückliegt und Leningrad wieder Sankt Petersburg heißt, hat diese Komposition ihren Nimbus verloren. Was einst vom Mut der Verzweiflung im belagerten Leningrad zeugte, wirkt heute merkwürdig konventionell. Die Harmonik bleibt ohne Schärfe und Charakter, die Rhythmik nur in Ansätzen so bedrohlich, wie er von älteren Aufführungen in Erinnerung ist.

Aber Dmitri Liss und das Orchestre Philharmonique Luxembourg (OPL) entscheiden sich in dieser Situation für das Richtige. Statt die Musik pathetisch zu überhöhen, suchen und finden sie die kleinen Schönheiten, die idyllischen Details. Nur ganz untergründig klingt etwas Militärisches mit. Im dritten Satz intonieren sie den groß angelegten „Choral“ völlig ohne ironische Distanz. Da klingt ein anderer Schostakowitsch an – der Schostakowitsch des wenige Jahre später geschriebenen e-Moll-Klaviertrios mit seiner abgründigen Trauer. Oder auch der Schostakowitsch der 9. Sinfonie mit ihrer ironischen Distanz zu allen Siegesfeiern nach dem „Großen vaterländischen Krieg“. Der angestrengt positive Tonfall am Ende der Sinfonie ist freilich nicht mehr zu retten. Liss und das OPL spielen die Musik aus und ersparen sich jeden Versuch, so etwas wie Ironie einzubringen. So endete das Konzert vehement und doch ohne echte Überzeugungskraft.

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