Konzerte Musikalische Reise in die Welt der Gefühle

Saarburg · Der Pianist Martin Tingvall spielt in Saarburg ein Solokonzert. In ihm lässt er sich tief in die Seele blicken.

 Martin Tingvall beeindruckt in Saarburg am Klavier, wie es Künstlern selten im Konzert gelingt.

Martin Tingvall beeindruckt in Saarburg am Klavier, wie es Künstlern selten im Konzert gelingt.

Foto: Alexander Schumitz

Martin Tingvall ist der Motor des Tingvall Trios. Doch in die Saarburger Stadthalle ist er ohne seinen Bassisten Omar Rodriguez Calvo und ohne seinen Schlagzeuger Jürgen Spiegel gekommen. „Aber ich habe auf meiner Reise zu diesem Konzert einen Freund mitgebracht“, sagt der gutgelaunte Musiker zu Konzertbeginn. Nach einer kurzen Pause zeigt er auf den Flügel neben sich und sagt: „Mein Klavier!“

Martin Tingvall ist aber nicht nur solo oder mit seinen Trio-Kollegen unterwegs. Manchmal kann man ihn auch mit drei weiteren Pianisten hören. „Okay, das führt manchmal zu Tastenchaos, weil man immer so komponieren sollte, dass man sich beim Spielen nicht mit den Armen in die Quere kommt“, schmunzelt er, bevor er die ersten Töne von „Piano-Men“ oder besser „Piano-Man“ anschlägt, was fast gleich klingt, man aber auch alleine spielen kann.

„Schwerelos“ – klingt in Tingvalls Ohren besser als „No Gravity“. Ohne Schwermut lässt er seine Finger über die Pianotasten laufen, während er mit seinen Schuhen den Takt auf den Bühnenboden schlägt und sich summend auf die Musik einlässt. Als Zuhörer spürt man, wie er dem Klang nachhört, um seinen Soundteppich mit den nächsten Tönen weiter zu weben. Selten kommt man einem Musiker so nah beim Pianospielen, dass man sich auf seine musikalischen Ideen einlassen mag. Aber Tingvall gelingt das ohne Probleme.

Auch wenn der Schwede berichtet, wie er in Florida am Pool lag, als ihn plötzlich einige Amerikaner aufforderten, ihnen an den Strand zu folgen. Sie erzählten ihm, dass gleich eine Rakete im John F. Kennedy Space Center bei Cape Canaveral abheben würde. Er dachte noch: „Was soll daran schon Besonderes sein? Aber gut, ich schau es mir mal an.“ Aber als er dann den Start des Shuttles beobachtete, habe er verstanden: „Es macht einen Unterschied, ein Flugzeug am Himmel zu sehen oder den Start von Astronauten zu verfolgen. Sie fliegen ins All, sehen die Welt aus einer anderen Perspektive.“ Aus dieser Erfahrung heraus habe er seinem Album den Titel „Rocket“ gegeben. Der Start der Rakete habe sich seinem Gedächtnis in Zeitlupe eingebrannt. „Es ist ein Song gegen die Schnelllebigkeit unserer Zeit“, sagt Tingvall.

Das Konzert endet mit einem Geständnis des Pianisten: „Bluesspielen macht Spaß – bis man die Aufnahme davon hört.“ Aber es sei dann doch wieder etwas ganz anderes, wenn ein Meister wie B. B. King (1915–1925) zum Mikrofon greife. Gerne erinnert sich Martin Tingvall an die Tournee mit ihm zurück – „als Vorgruppe gemeinsam mit der Hamburger Bluessängerin Inga Rumpf“. Also habe er sich mit einer Komposition ihm angenähert, frei nach dem Motto: „Hauptsache, es macht Spaß.“

Nach zwei Stunden endet ein sehr persönliches Konzert, in dem Martin Tingvall die knapp 100 Konzertgäste tief in seine Seele blicken ließ. Es war ein sehr emotionaler Abend, der eine Reise in verschiedene Gefühlswelten eröffnete. Selten zeigen sich Musiker in einem Konzert so verletzlich, aber auch stark, dass sie die Luft im Saal mit ihren Tönen so zum Vibrieren bringen, dass die Zuhörer in ihren Herzen berührt werden. Es war ein fantastisches Konzert, wie man es nur selten zu hören bekommt.

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