Pioniere des Tanztheaters kommen nach Trier

Trier · Wunderbare Aussichten fürs Trie-rer Ballett: Mit Susanne Linke, Urs Dietrich und Waltraut Körver, die ab 2015 das Theater bereichern sollen, schafft das Trierer Haus personell den Anschluss an das große internationale Tanztheater.

Trier. Selbst Menschen, die sonst eher auf dem Boden bleiben, könnten versucht sein, doch mal einen Luftsprung zu wagen. Denn dem künftigen Intendanten des Trierer Theaters ist ein ganz großer Wurf gelungen. Mit Susanne Linke hat Karl M. Sibelius eine wahre Ikone des Tanztheaters nach Trier verpflichtet. Die 1944 geborene Lüneburgerin, die Schülerin anderer Ikonen wie der legendären Mary Wigman ist (siehe Kurzbiografie), und die mit Koryphäen wie Reinhild Hoffmann oder Pina Bausch zusammenarbeitete, gehört zu den großen Erneuerern des Tanztheaters.
Seit jeher sind Bewegung und Geste als Ausdrucksmittel für sie von existenzieller Bedeutung. Bis zu ihrem sechsten Lebensjahr vermochte die Solotänzerin und Choreographin weder zu sprechen noch zu hören. Schon von daher rührt, was bis heute Grundlage ihres weltweit gerühmten choreographischen Werks ist: "Was uns innen bewegt, bringen wir in Bewegung von innen nach außen."
Liebe auf den ersten Blick


Nicht einmal im Traum habe er daran zu denken gewagt, Susanne Linke fest nach Trier zu holen, als er in Berlin ihren Rat einholte, berichtet Sibelius dem Volksfreund. Auf dem Rad sei sie zum Treffen gekommen. Und dann war es wohl doch Liebe auf den ersten Blick. Nicht zuletzt zu Trier und seinem Theater, dessen Bühne, sagt Sibelius, Susanne Linke gleich bei ihrem ersten Besuch fasziniert habe.
Neben ihrer Biografie beeindruckt Sibelius ihr großes "zeitloses Werk".
Zum Berliner Treffen stieß etwas später - ebenfalls auf dem Rad - Urs Dietrich, Linkes Lebensgefährte und Kollege am Bremer Tanztheater und am Hebbel Theater in Berlin. Auch der gebürtige Schweizer und Leiter des Tanztheaters Bremen ist als Pionier des modernen Tanztheaters hoch renommiert in seinem Fach. Der studierte Textildesigner ist zudem berühmt für seine Gesamtkunstwerke, bei denen er neben der Choreographie unter anderem auch für die Kostüme sorgt.
Im Wechsel vor Ort


Als Tandem sollen die beiden Künstler künftig je eine der beiden jährlich geplanten großen Tanztheater-Produktionen verantworten. Überdies sollen sie kleinere Projekte betreuen. Während Dietrich und Linke jeweils nacheinander ein halbes Jahr in Trier fest vor Ort sein werden, wird Waltraud Körver als Dritte im Bunde ganzjährig vor Ort das Trierer Tanztheater und seine zwölf Tänzer managen. Körver, die als Tanzdramaturgin international unterwegs ist, arbeitet seit langem mit Dietrich und Linke zusammen und ist zudem Fachfrau für die tänzerische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (siehe Kurzbiografie).
Dem Tanztheater misst Sibelius große Bedeutung bei. "Tanz ist eine ganz wichtige Sparte, mit der wir auch ganz stark nach außen gehen wollen", sagt der designierte Theaterchef. Trotz hochprominenter Namen: Stargagen werden keine bezahlt. "Wir bezahlen das gleiche wie unsere Vorgänger." Die neuen Ballettchefs erhalten im übrigen gleichhohe Gehälter wie die Chefs der anderen Sparten. "Eine Susanne Linke kann man nicht bezahlen", weiß Sibelius, "die muss man durch Projekte überzeugen und ihr künstlerischen Freiraum schaffen." Im Übrigen gilt für Sibelius und seine künftige Ballettkompanie: "Wir wollen das Budget nicht überziehen. Wir wollen mit dem Geld, das wir haben, tolles Theater machen."Extra

..., 1960 in Essen geboren, studierte von 1978 bis 1989 in München Theaterwissenschaften, Ethnologie, Neuere Deutsche Literatur. Ab 1980 übernahm Körver für mehrere Tanzprojekte Tourneeplanung und Produktionsassistenz. Von 1989 bis 2000 war sie im Bereich Organisation und Dramaturgie an den Städtischen Bühnen Münster und am Bremer Theater tätig, bei Letzterem unter der Leitung von Susanne Linke und Urs Dietrich. 2000 wurde Körver Gründungsmitglied des Bundesverbandes Tanz in Schulen, von 2006 - 2010 leitetesie die private Fachschule impuls e.V. in Bremen. 2005 - 2011 organisierte sie den Kinder- und Jugendbereich von Tanzplan Bremen, einem Projekt der Kulturstiftung des Bundes. 2013 war sie Produktionsleiterin bei der Rekonstruktion der Choreographie "Ruhr Ort" von Susanne Linke, 2014 dramaturgische Mitarbeitein beim Festival "Schwindel der Wirklichkeit" der Akademie der Künste Berlin. redExtra

..., 1944 in Lüneburg geboren, hat die choreographische Landschaft Deutschlands geprägt. Linke erhielt zunächst bei Mary Wigman in Berlin ihre Tanzausbildung, bevor sie an der Folkwang-Hochschule in Essen studierte. Von 1970-1973 war sie Tänzerin im Folkwang Tanz Studio unter der künstlerischen Leitung von Pina Bausch, leitete das Studio später selbst (bis 1985). Ihre Soli ("Im Bade wannen", "Schritte verfolgen", ihre Dore-Hoyer-Rekonstruktion "Afectos humanos") und Gruppenstücke fanden auch international Beachtung. Zu Beginn der 90er Jahre gründete sie die "Company Susanne Linke" und wurde "Artist in Residence" des Hebbel-Theaters, Berlin. Mit Urs Dietrich baute sie 1994 eine neue Kompanie am Bremer Theater auf und blieb dort bis 2000 Leiterin des Tanztheaters. Seit 2001 ist sie als freischaffende Choreographin tätig. 2007 wurde Linke der Deutsche Tanzpreis verliehen. redExtra

..., 1958 in Visp/Schweiz geboren, absolvierte zunächst eine Ausbildung in Textildesign. Von 1981-85 studierte er Tanz an der Folkwang Hochschule Essen, setzte sein Studium 1986 in New York fort und begann mit seiner Arbeit im Folkwang-Tanzstudio in Essen. Seit 1988 arbeitete er als freischaffender Tänzer und Choreograph. Er kreierte zahlreiche Gruppen- und Solotanzstücke, mit denen er mit Förderung des Goethe-Instituts in europäischen Ländern, in Asien und Nord- und Südamerika gastierte. Im Hebbel-Theater Berlin wurden seine Soloarbeiten "Da war plötzlich … - Herzkammern" (1995) und "An der Grenze des Tages" uraufgeführt. Mit Susanne Linke leitete er 1994-96 das Bremer Tanztheater. Dort ist er seit 2000 Haus-Choreograph und künstlerischer Leiter. Dietrich erhielt unter anderem 1985 den Kurt-Jooss-Preis der Stadt Essen und 2004 den Deutschen Kritikerpreis. red

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