Platzhirsche und Provokateure

Das spannendste deutsche Theaterstück spielt derzeit die Realität: Im Kölner Intendantenstreit beginnt schon wieder ein neuer Akt. Seit Hamburg für 2014 die Kölner Erfolgsschauspielchefin Karin Beier abgeworben hat, raucht es im Karton.

Jetzt wollten die Kölner ihr abwanderungswilliges Aushängeschild trotz Vertrags bis 2014 schon 2012 vor die Tür setzen - und das Schauspielhaus dem Opern-Platzhirschen Uwe Eric Laufenberg zuschlagen. Beier bockte mit Hinweis auf die Vertragslage, die Stadt zog den Schwanz ein. Der Vorhang zu, und viele Fragen offen.

In Karlsruhe hingegen, bei der Händel-Oper "Partenope" am letzten Samstag, waren mit dem Fallen des Vorhangs alle Fragen beantwortet. Das Publikum feierte die Ausgrabung der Liebeskomödie mit Beifallsstürmen. Nicht lange nach der Uraufführung 1730 war das Werk von den Bühnen verschwunden und erst in den letzten Jahren wiederentdeckt worden. Dirigent Michael Hofstetter, Regisseur Ulrich Peters und die junge Solisten-Riege ernteten auch bei der Kritik durchweg Lobeshymnen.

Mit letzteren wird auch der Bildhauer Anthony Cragg überhäuft. Der 61-jährige Brite gilt als einer der bedeutendsten Skulpturisten der Gegenwart. Nicht weit von Düsseldorf entfernt, wo er die Kunstakademie leitet, sind nun 60 Skulpturen aus Bronze, Stahl, Holz, Glas und Plastik zu sehen, dazu Zeichnungen, Grafiken und Fotografien. Schauplatz ist, bis zum 13 Juni, das Museum Küppersmühle in Duisburg.

Dass dort die Polizei die Exponate kontrolliert, ist eher unwahrscheinlich. Anders ging es da dem Frankfurter Museum für moderne Kunst. Dort tauchten Kripo-Beamte bei der Foto-Ausstellung "The lucid evidence" auf, um einige der gezeigten Bilder auf mögliche Kinderpornografie hin zu überprüfen. Doch der MMK-Direktion gelang es, die Beamten vom Kunstcharakter der Abbildungen zu überzeugen. Zudem verweisen Schilder an der Kasse auf mögliche "Irritationen" und "Verletzungen des sittlichen Empfindens".

Ein Spezialist in den letztgenannten Disziplinen war in den 70er Jahren der Dramatiker Franz Xaver Kroetz. Von Kommunismus bis Kopulation enthielten seine Stücke alles, womit man gutbürgerliches Publikum dermaleinst erschrecken konnte - auch in Trier, wo sein Stück "Nicht Fisch, nicht Fleisch" für knallende Türen sorgte. Einem breiten Fernsehpublikum wurde er später als Klatschreporter Baby Schimmerlos in der Serie "Kir royal" bekannt. Das Stückeschreiben hat er aufgegeben, auf Spielplänen ist er kaum mehr zu finden. Heute feiert der Provokateur seinen 65 Geburtstag.

Schon 82 ist der Mundharmonika-Virtuose Franco de Gemini, der mit einer gänsehautträchtigen Abfolge von vier Tönen Musik- und Filmgeschichte schrieb: Er intonierte das Intro zu "Spiel mir das Lied vom Tod". Im Düsseldorfer Schumann-Saal sah diese Woche ein ergriffenes Publikum einen seiner raren Live-Auftritte - natürlich auch mit Morricones Filmmusik.

Dieter Lintz

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