Poet entlarvt politisches Palaver

Trier · Roger Willemsen ist ein Name, der für intelligente Unterhaltung mit Esprit und subtiler Komik steht. Davon haben sich am Montag 300 Zuschauer im Trierer Theater überzeugt. Der Autor lieferte ihnen mit seinem neuen Werk "Das Hohe Haus" eine messerscharfe Analyse des Bundestages als Schauspiel der Volksverdummung.

 Die Stammeskultur des Parlamentariers und seine Riten: Roger Willemsen stellte 2014 im Theater Trier seine ernüchternden Beobachtungen aus dem Bundestag vor. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Die Stammeskultur des Parlamentariers und seine Riten: Roger Willemsen stellte 2014 im Theater Trier seine ernüchternden Beobachtungen aus dem Bundestag vor. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Trier. Roger Willemsen ist brillant. Ein Wortakrobat, der mit allem spielt, was die deutsche Sprache hergibt. Er füllt selbst ein Sachbuch mit Poesie. Das Sujet in seinem neuen Werk, das er am Montag im Trierer Theater vorstellte, ist der Deutsche Bundestag. Ein Jahr lang hat Willemsen von der Zuschauertribüne die Debatten verfolgt. Was er dort beobachtete, hat er auf 400 Seiten zusammengefasst und für die Lesung in einem dramaturgischen Schachzug mit zwei Unterstützern für die Bühne aufbereitet.
Hörfunk-Moderator Jens-Uwe Krause liest die wörtlichen Zitate der männlichen Abgeordneten, Schauspielerin Annette Schiedeck übernimmt die weiblichen Parts. Der Autor selbst setzt die Klammern zwischen den Redebeiträgen. Er analysiert das Gesprochene, ummantelt es mit seinen Kommentaren und liefert detaillierte Beschreibungen der Szenerie im Bundestag. Verhalten und Worte der Volksvertreter erhalten durch Willemsens Brille einen derart skurrilen Charakter, dass die Lesung nicht wie ein Sachbuch, sondern wie Kabarett wirkt. Das Publikum lacht, raunt und schüttelt die Köpfe.
In der Entlarvung des Blödsinns verzichtet Willemsen auf eigene Polemik oder Krawall-Attitüden. Er ist ein Feingeist. Seine Waffe ist sein scharfer Verstand. Durch Auswahl, Analyse und Verdichtung lässt Willemsen die Parlamentarier sich selbst demontieren. Im Gegensatz zu den Debattenrednern sind die lauten Töne nicht seins. Trotzdem spürt man die Wut, die aus vielen Zeilen des Autors spricht, beispielsweise wenn es um deutsche Waffenexporte geht oder den NSA-Abhörskandal.
Wabernde Plattitüden


Hört man mit Willemsens Ohren, dann springt den Zuhörer die Absurdität mancher Entscheidung an, die die Mächtigen mit gehaltloser Rhetorik und immer gleichen Schlagworten verteidigen. Das Wichtige wird nicht gesagt. Stattdessen wabern Plattitüden durchs Hohe Haus. Gerade darin ist die Kanzlerin Königin. Willemsen erbringt dafür mit seinen Betrachtungen den Nachweis.
Sein Publikum versinkt aber nicht ins Leid, sondern fühlt sich erhöht durch Willemsens geschliffenen Ausdruck, seine berauschenden Metaphern, unverbrauchte Vergleiche, den überbordenden Wortschatz und Sätze wie diese: "Rainer Brüderle zermanscht Silbentrauben im Mund."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort