Portrait Demnächst klar statt feinherb

Trier · Abschied nach drei Jahren: Marsha Zimmermann verlässt das Ensemble des Trierer Theaters und blickt zurück.

 Die Rolle, die ihr in Trier die liebste war: Una in David Harrowers „Blackbird“, inszeniert von Manfred Langner in der Spielzeit 2019/20.

Die Rolle, die ihr in Trier die liebste war: Una in David Harrowers „Blackbird“, inszeniert von Manfred Langner in der Spielzeit 2019/20.

Foto: Marco Piecuch/MARCO PIECUCH

Hamlet hat den Ausschlag gegeben. Als sie hörte, dass sie diese Rolle bekommt, stand für Marsha Zimmermann fest: So schön es in Trier auch war, es ist Zeit für etwas Neues. Und so hat sie zum Ende dieser Spielzeit die Koffer gepackt und vorsorglich ein paar wärmere Kleidungsstücke besorgt. Denn ab der nächsten Saison wird sie in Bremerhaven beschäftigt sein, also dort, wo einem das Nordseewasser schon mal über die Füße schwappen kann und es (fast) immer recht windig ist.

Mit dem raueren Klima hat sie bereits Bekanntschaft gemacht: „Bei der Wohnungssuche hat es mich manchmal fast vom Fahrrad geweht“, erzählt sie im Gespräch mit dem Trierischen Volksfreund. Am 2. Oktober stellt sie sich den Nordlichtern am Stadttheater vor – eben als Hamlet. Es ist allerdings nicht der von Shakespeare, sondern der von Tom Stoppard, der die Tragödie ins Absurde wendet: Nicht Hamlet, sondern „Rosencrantz und Güldenstern sind tot“ am Ende der Komödie. Dass eine Frau den zaudernden Prinzen spielt, der ohnehin nie besonders machohaft rüberkommt, scheint in Zeiten  verschwimmender Geschlechtergrenzen durchaus plausibel.

Geplant hatte Marsha Zimmermann ihren Wechsel nicht. Bis der Anruf einer Freundin aus dem Norden kam und ihr sagte, dass im Ensemble ein Platz frei werde für genau ihren Typ. Sie fuhr hin, das Vorsprechen klappte ausgezeichnet – und damit ist Trier nun für sie Geschichte.

Zeit also für eine Zwischenbilanz: Was hat ihr besonders gefallen, was wird sie bestimmt nicht vermissen? Den ersten Teil der Frage zu beantworten, fällt ihr nicht schwer. „Ich habe hier sehr viele nette Menschen kennengelernt, sowohl innerhalb wie außerhalb des Theaters.“ Insgesamt drei Jahre war sie hier, während der sie den ziemlich engen Kontakt zwischen Ensemble und Publikum schätzen gelernt hat. Ein Austausch, den sie nicht überall erfahren habe, wo es sich mitunter wie in einer Art „Theaterblase“ lebte.

Nach der Schauspielschule ging es zunächst in den fernen Osten – nach Dresden, Plauen und Zwickau, ehe sie über Kaiserslautern und Gastverpflichtungen an anderen Häusern an die Mosel kam. Ihre Wechsellust erklärt Marsha Zimmermann mit ihrer Neugier auf Herausforderungen. Bremerhaven als jüngster Neuanfang war für sie auch ein Test, dem sie sich immer wieder gern unterzieht: „Wo stehe ich beruflich? Was erwartet mich an Unbekanntem? Wie kann ich das stemmen?“ Diese Spannung ist für sie eine Art professionelle Vitaminspritze, die sie sich immer wieder gerne selber setzt.

Die nächste also nun nach drei Jahren Trier, wohin die in Wiesbaden aufgewachsene Schauspielerin zeitgleich mit Intendant Manfred Langner gekommen ist, der sie bereits von früheren Produktionen kannte und sofort in seine Truppe geholt hat. Die Stadt war dabei auch „ein kleines bisschen wie zurück zu den Wurzeln“, denn ihre Mutter stammt aus der Eifel, und Verwandtschaft hat sie auch noch in der Region.

Waren die Eltern begeistert, als sie vom Berufswunsch der Tochter erfuhren? Marsha Zimmer lacht. „Die klassische Frage.“ Mit der Beantwortung lässt sie sich Zeit: „Jaaaa, es geht“, sagt sie schließlich. „Mein Vater – der bereits verstorben ist – hätte wohl nichts dagegen gehabt. Meine Mutter hat sich Sorgen gemacht.“ Auf der Bühne zu stehen ist nun mal kein A-13-Job mit Pensions-Garantie. Hinzu kam, dass Dresden, ihr erster Arbeitsplatz, am anderen Ende der Republik liegt. „Da sieht man die Familie nicht mehr so häufig.“ Aber zu den Premieren sei die Mutter, so oft es ging, gekommen.

Beim Film hat sie ebenfalls ein paar Erfahrungen sammeln können. Die Arbeit vor der Kamera sei zwar „sehr spannend und sehr fordernd“ – im Grunde ihres Herzens aber braucht sie die „Live-Erfahrung der Bühne“, das Publikum im selben Raum, die Kreativität des Augenblicks, der einmalig und unwiederholbar ist.

In Trier habe sie viele schöne Partien spielen dürfen, doch ihre Lieblingsrolle sei definitiv die Una in David Harrowers Zweipersonendrama „Blackbird“ gewesen. Noch immer schwärmt sie von der Zusammenarbeit mit ihrem Partner Volker Risch und Regisseur Manfred Langner, der ihr sehr viele Freiheiten bei der Gestaltung ihrer Figur gegeben habe. Und die Geschichte einer Frau, die den Mann zur Rede stellt, der sie (angeblich) als Zwölfjährige verführt hat, habe auch das Publikum in jeder Vorstellung tief berührt.

Zurück zur Frage vom Anfang: Was wird sie nicht vermissen, wenn sie Trier den Rücken kehrt? „Den feinherben Riesling“, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen. „Hier wollten mir so viele Menschen den süßen Wein schmackhaft machen. Dabei stehe ich auf trockenem. Nichts anderes kommt mir ins Glas!“

Demnächst dann also der klare Korn aus dem Norden. Der ist ohnehin zu rau für feinherb.

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