Portrait Mitte ohne Mittelmaß

Einst Geschäftsführer der Trierer Industrie- und Handelskammer, jetzt angesehener Romancier: Rolf Ersfeld. Seine Themen sind so vielfältig wie das Leben.

 Hat erst im Ruhestand mit dem Schreiben angefangen: Rolf Ersfeld.

Hat erst im Ruhestand mit dem Schreiben angefangen: Rolf Ersfeld.

Foto: Martin Möller

Literarische Höhenflüge? Rolf Ersfeld bezieht nachdrücklich Distanz zu allen haltlosen Visionen.  Der ehemalige Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Trier hatte  auf seinen Arbeitsgebieten Technik und Recht genug zu tun  mit der harten Realität. Und als er sich im Ruhestand zunächst am Abfassen  kleinerer Texte versuchte, war das wohl eher eine selbst-therapeutische Maßnahme gegen den oft deprimierenden und zuweilen gefährlichen Pensionsschock.  „Ich konnte auf diese Weise meine Büro-Tätigkeit eins zu eins fortsetzen“, betont Ersfeld. Und ergänzt: „Ich habe immer gern geschrieben“.

Schon die ersten Texte zu verfassen, war ihm ein „Quell großer Freude“. Aber es bedurfte neben persönlichen Entwicklungen auch externer Anstöße, damit sich der Kurzgeschichten-Autor Ersfeld zum Romancier entwickeln konnte. Da war zunächst die Einsicht, dass das geplante Kinderbuch doch nicht so einfach zu schreiben war. Ein Quäntchen Glück gehörte auch dazu – der eher zufällige Kontakt zu interessierten Zeitgenossen, die Entdeckung des Schweizer Verlags „ILV“. Und es spielten wohl auch die Erfahrungen aus der Arbeit als Geschäftsführer und zertifizierter Wein-Botschafter mit. In diesem Netz von Anregungen entstand im Jahr 2011 Ersfelds erster Roman „Winterbirnen“. „Eiskalt, doch zuckersüß sind die Birnen, die sich drei Kinder im deutschen Nachkriegswinter teilen“, heißt es im Ankündigungstext. Der abschließende „Dank“ richtet sich an ein Dutzend hilfreicher Geister. Und der Autor unterstreicht: „Von der ersten Idee bis zur endgültigen Realisierung eines Buchs ist es ein langer Weg mit vielen Zweifeln.“

Mit den „Winterbirnen“ indes hatte Ersfeld seinen ganz persönlichen Stil gefunden. In erster Linie geht es ihm um Individualität – der Texte und der Figuren. Spätestens jetzt  sind seine Schilderungen reich an Phantasie und doch geerdet und an der Wirklichkeit geschult. Der  Stil ist farbig, aber ohne Extravaganzen. Es ist ein Stil der Mitte ohne Mittelmaß.

Aktuelle Diskursthemen wie Kindesmissbrauch und Transsexualität werden integriert. Und mit präzise und sorgfältig integrierten erotischen Abschnitten gelingt es Ersfeld, Sinnlichkeit zu beschwören und zugleich von literarischer Pornografie Abstand zu halten. Ein einziger Versuch freilich führte nicht zum Ziel. Der Kriminalroman „Die Spur der Eiskristalle“ stieß bei den Lesern überwiegend auf Ablehnung. „Damit muss man leben“, sagt Ersfeld. Und kehrte zum vertrauten Roman-Genre zurück.

Die Thematik in Ersfelds neuestem Roman „Die Farbe der Zahlen“, ist zugleich unkonventionell und nachvollziehbar. Hauptfigur Jasper T. besitzt die Fähigkeit zur sogenannten Synästhesie. Er hat die außergewöhnliche Begabung, Unterschiedliche Zahlen in unterschiedlichen Farben zu sehen. Das verschafft ihm eine Sensibilität, die er erst allmählich  als Gewinn begreift. Synästhesie und der Umgang damit steht im Mittelpunkt der Romanhandlung. Die ist emotional dicht und doch nicht überladen.

Wie sehen nach den Erfolgen der letzten Jahre seine Pläne aus? „Ich habe keine Pläne“, sagt er und breitet stattdessen ein Panorama seiner kulturellen Zuschauer-Interessen aus: Oper, vor allem italienischer Belcanto, spätromantische Sinfonik, aber auch ungewöhnliche Komponisten wie Erik Satie. Und was empfiehlt er allen, die schreiben wollen? Da warnt Ersfeld vor blindem Optimismus. Und macht eine Rechnung auf: Ein Exemplar seiner Romane kostet im Laden 14,70 Euro. Davon verbleiben dem Autor zehn Prozent, also 1,47 Euro; bei Amazon sei es nur die Hälfte davon, also aufgerundet 74 Cent. Bei stolzen 1000 verkauften Exemplaren sind das gerade mal 740 Euro. Das wiegt die Mühen eines Autors bei Weitem nicht auf und ist überdies nur ein spärlicher Beitrag zum eigenen Lebensunterhalt – vom Unterhalt der Familie gar nicht zu reden. Ersfelds Resümee: „Schreiben ist schön und wertvoll, aber von vorneherein auf einen Gewinn zu zielen, mit dem sich leben lässt, ist sträflicher Leichtsinn.“
Martin Möller

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