Premiere von Arthur-Miller-Stück in der Trierer Tufa: Hier ist Hysterie im Spiel

Trier · Stefan Bastians inszeniert Arthur Millers "Hexenjagd" in Zeiten von Fake-News und Postapokalypse unter freiem Himmel. Die Premiere ist am 17. August im Innenhof der Trierer Tuchfabrik.

 Probenszene: John Proctor (Neven Nöthig) beschwört seine Hausangestellte Mary Warren (Janna Schmitz), die Wahrheit über die Verleumdungen zu sagen. Im Hintergrund Fares Khalaf als John Willard. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Probenszene: John Proctor (Neven Nöthig) beschwört seine Hausangestellte Mary Warren (Janna Schmitz), die Wahrheit über die Verleumdungen zu sagen. Im Hintergrund Fares Khalaf als John Willard. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Foto: Mechthild Schneideres (mehi) ("TV-Upload Schneideres"

Religion musste schon für vieles herhalten, da brauchen wir nicht bis zu den Kreuzzügen zurückdenken: Der IS massakriert im Namen Allahs Kinder, Frauen und Alte; in Deutschland instrumentalisieren die Rechten das Christentum. Und Hetze gegen Andersdenkende und Menschen fremder Herkunft scheint en vogue. Politiker und sogar Präsidenten verbreiten Fake-News und "alternative Fakten".
"Es ist wieder möglich, Menschen kaputtzumachen, sie auf den Scheiterhaufen der Medien zu schicken, wo sie verbrannt werden - aus purem Neid, aus Gier", sagt Stefan Bastians vom Limelight Theater.

Der Regisseur, der für die Tufa bereits die Jazzoper "Blue Sheets" und das Projekt "Odyssee.16" inszeniert hat, hat sich für die aktuelle Produktion für die Reihe "Tufa Classics" Arthur Millers Drama "Hexenjagd" vorgenommen. Geschrieben 1953, in der Zeit der Kommunistenjagd in der McCarthy-Ära, erweckt der Autor das Jahr 1692 im Örtchen Salem (USA) zum Leben.

Bei den Puritanern in den neuen Kolonien ist kein Platz für Vergnügen. Doch das wollen Abigail, Betty und ihre Freundinnen nicht missen - sie tanzen im Wald. Der Pfarrer Samuel Parris, Bettys Vater, erwischt sie dabei. Um straffrei davonzukommen, lassen sich die Mädchen sonderbare Krankheiten einfallen, die kein Arzt heilen kann. Schnell machen Gerüchte die Runde, jeder will etwas Obskures gesehen haben, Teufelswerk - sogar Hexerei.
Die Mädchen geraten in den Strudel ihrer Intrigen, denunzieren dutzendweise Gemeindemitglieder - auch hoch angesehene: Massenhysterie; die Gelegenheit, verhasste Nachbarn loszuwerden oder sich zu bereichern.
Bastians nennt sein Stück, das am Donnerstag, 17. August, 21 Uhr, Premiere feiert, "Hexenjagd - Ein Hysterienspiel" - sozusagen ein auf die Spitze getriebenes Mysterienspiel, eine seit dem Altertum bis ins späte Mittelalter praktizierte Form der Darstellung religiöser Glaubensinhalte. Er hat seine Inszenierung zeitlos angelegt - mit einem Touch Postapokalypse. Millers Text hat er komprimiert und eine Gruppe Gaukler hinzugefügt, singende, erzählende Akteure, Gestalten, die aussehen, als hätten sie einen Atomkrieg überlebt.

"Hexerei ist noch heute ein Thema, in Afrika, Asien und Lateinamerika", sagt Bastians. In den letzten Jahrzehnten seien vermutlich mehr Menschen wegen Hexerei umgebracht worden als während der europäischen Verfolgungsperiode in der frühen Neuzeit.

"Was Menschen tun, wenn sie in Bedrängnis kommen, zeigt sich ganz verschiedentlich", sagt Bastians. Da sind die Ehrbaren wie Proctor, die Rachsüchtigen (Abigail), die Feigen (Parris), die Mitläufer (Cheever) und die Machtgierigen wie Richterin Danforth (Sandra Karl), die sich gezwungen sieht, die Angeklagten zu verurteilen. "Jeder ist in einem unglaublichen Konflikt. Die Einzigen, die davonkommen, sind die Trottel und die Gaukler."

Für die Rolle des Protagonisten John Proctor hat Bastians Neven Nöthig gewonnen, der in zahlreichen Fernseh- und Theaterproduktionen wie "Der Bär" und "Faust 1" (2016) im Kaleidoskop Theater Luxemburg sowie 1999 am Theater Trier mitgewirkt hat. "Proctor ist ein Mann, der versucht, gerade durchs Leben zu gehen, der aber einmal schwach wird", sagt Nöthig. Er habe direkt die Affäre mit Abigail als Sünde erkannt und sie beendet. Damit habe er das Geschehen ins Rollen gebracht. "Er nicht der Tolle, der Straighte, sondern er ist innerlich zerrissen. Das ist das Spannende an der Rolle."

Spannend dürfte auch der Auftrittsort werden: open air im Innenhof der Trierer Tuchfabrik. Claudia Stephen spielt Proctors Frau Elisabeth, Elisabeth Sterzer Abigail Williams, Manfred Rath Reverend Parris. Mit dabei sind auch Akteure der "Odyssee": Anas Khaled (Hale), Ali Sheikhmous (Cheever), Fares Khalaf (Willard) sowie Mitglieder des Trierer Bürgerchors.

Weitere Termine: 18., 19., 20. August, jeweils 21 Uhr. Karten: 18/15 Euro, TV-Service-Center Trier.Extra: "Hexenjagd" DER MEDIEN IM JAHR 2017

Die Social-Media-Plattform Facebook hat die Promotion der Produktion "Hexenjagd - Ein Hysterienspiel" abgelehnt. Die Veranstaltung entspreche nicht den Richtlinien. "Als Begründung erschien das hier auf dem Bildschirm", sagt Claudia Stephen: "3. Diskriminierung: Werbeanzeigen dürfen nicht diskriminieren oder zur Diskriminierung von Personen aufgrund persönlicher Eigenschaften wie Rasse, Ethnizität, Hautfarbe, nationale Herkunft, Religion, Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität, Familienstatus, Behinderung, Gesundheitszustand oder genetische Erkrankung ermuntern."

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