Publikum als Gewinner

BERNKASTEL-KUES/WEHLEN. Einen deutsch-argentinischen Abend gab es bei den Mosel Festwochen im Kloster Machern. Während in Berlin die Deutschen als Sieger hervorgingen, waren auf der Konzertbühne die Musik und das Publikum die Gewinner.

Manche Entscheidungen kann man erst unmittelbar bevor sie notwendig sind fällen. Diese Erfahrung musste auch Hermann Lewen, Intendant der Mosel Festwochen beim letzten Konzert machen. Zwei Blumengestecke hatte er für die Bühnendekoration geordert, eines in der Farbkombination Schwarz-Rot-Gold und eines in Blau-Weiß. Erst wenige Minuten vor dem Konzert konnte er entscheiden, welches auf den Blumenhocker kam und welches auf dem Boden stehen sollte. Überhaupt zog sich die Fußballweltmeisterschaft viel stärker in das Konzert des Festivals, als man dies gemeinhin annehmen sollte. Auf jedem Stuhl fand das Publikum eine Mozartkugel und einen Schokoladenfußball. Das auftretende Ensemble "Nova Stravaganza" ist eine deutsche Formation, die Solistin den Abends, die Sopranistin María Cristina Kiehr eine Argentinierin. Der Wettstreit auf dem Rasen ging unentschieden aus, will sagen, wenn man die erzwungene Entscheidung am Ende außer Acht lässt, waren sich zwei gleichstarke Partner begegnet. Was für Berlin galt, galt auch für das Kloster Machern. Gewinner waren hier die Musik und das trotz WM erfreulich zahlreiche Publikum. Zweimal schon hat Nova Stravaganza unter der Leitung von Siegbert Rampe den begehrten Echo-Award erhalten. Man durfte also Besonderes erwarten von diesem Konzert und der Förderverein des Festivals, der dieses Konzert unter seine Fittiche nahm, konnte von einer risikolosen Investition ausgehen. Dabei bot das Programm beim flüchtigen Lesen eigentlich nichts Besonderes. Es war ganz dem musikalischen Jubilar Wolfgang Amadeus Mozart gewidmet und bot sattsam Bekanntes. Ob nun "Eine kleine Nachtmusik", KV 525, die Motette "Exultate, jubilate", KV 165 oder die Sinfonie A-Dur, KV 201, alles findet sich in den CD-Regalen, gehört zu den mozart'schen Evergreens und auch das Spiel auf den historischen Instrumenten hat sich in den letzten Jahren immer mehr durchgesetzt. Und doch lohnte sich der Konzertbesuch nicht nur, weil Rampe für die G-Dur-Serenade das verschollene erste Menuett ersetzt hat oder aber die ebenfalls nicht vorhandene Orchesterfassung der Arie "Der Liebe himmlisches Gefühl", KV 382h, rekonstruierte. Es war die Art des Musizierens, die dem Abend den besonderen Reiz verlieh. Mozart kennt man als glatt geschliffen, elegant, sich problemlos ins Ohr legend. Nicht so, wenn Rampe und sein Konzertmeister Franc Polman sich des Notentextes annehmen. Was in Machern an Orchesterwerken erklang, war auf erquickende Weise frisch, manchmal etwas ungezügelt und auch mal ein wenig derb. Da sprühten die Funken der Begeisterung bei den Musikern und fanden den Weg zu den Zuhörern. Diese Musik passte endlich einmal zur Biografie seines Komponisten. War die Musik des Instrumentalensembles, abgesehen von wenigen Ausnahmen, schon sehr beeindruckend, so erfuhr der Abend durch Kiehr noch eine Steigerung. Der Farbenreichtum, über den sie verfügt, begeistert. Warm und weich in den für eine Sopranistin erstaunlich kräftigen tiefen Lagen, strahlend und aussagekräftig in den Höhen. Kiehr wusste ihr Können in optimaler Weise einzusetzen, interpretierte die in die Klassik weisenden Kompositionen vom Boden der barocken Gestaltungsgrundlagen aus - ein Erlebnis.

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