Literatur Poet, Kulturbotschafter, Synchronsprecher

Berlin/Trier · Er war die deutsche Stimme von Dr. Raj in der Serie „The Big Bang Theory“, war Schriftsteller und Stadtschreiber von Trier: Rajvinder Singh. Der 65-jährige Poet starb vergangene Woche in Berlin.

 Rajvinder Singh, Stadtschreiber in Trier, auf dem Petrisberg mit Bliuck auf Trier Blickt kritisch auf die Stadt: Rajvinder Singh. TV-Foto: Friedemann Vetter

Rajvinder Singh, Stadtschreiber in Trier, auf dem Petrisberg mit Bliuck auf Trier Blickt kritisch auf die Stadt: Rajvinder Singh. TV-Foto: Friedemann Vetter

Foto: vetter friedemann

 Die Website von Rajvinder Singh empfängt die Besucher mit einem Dreizeiler:

„Ein Fremder

ist mir ein Freund

den du noch nicht kennst“

Da zeigt sich die Vorliebe des Lyrikers fürs Kurze und Bündige ebenso wie seine zugewandte, menschenfreundliche Grundhaltung und sein Selbstverständnis als kultureller Brückenbauer. „Das Gedicht erlaubt es, einen Gedanken, eine Idee, in ihrer Vollkommenheit zu (v)erfassen“, erklärte Singh, der in den Jahren 2006 und 2007 als Stadtschreiber jeweils mehrere Monate in Trier lebte, dem TV noch im Februar in einem Interview. Darin erzählte er auch von seinem Eintreten gegen Fremdenhass in Deutschland und seine Besuche in Schulen, „damit die Schüler ihren Horizont erweitern, sie sich über andere Länder und Kulturen ihre Gedanken machen. Und sie so anfangen, anders zu denken.“ Nun ist der Schriftsteller und Synchronsprecher tot. Rajvinder Singh sei am 16. Dezember nach kurzer Krankheit in Berlin gestorben, teilte der Synchronregisseur Stefan Ludwig, ein Freund der Familie, mit. Er wurde 65 Jahre alt. Singh  sprach die Rolle des Dr. Rajesh „Raj“ Ramayan Koothrappali (Kunal Nayyar) in der ProSieben-Serie „The Big Bang Theory“; auch an Filmen wie „Matrix – Revolutions“ wirkte er mit. Er hinterlässt Frau und Tochter.

Singh stammte aus Punjab in Indien und lebte laut der Mitteilung seit 1981 in Berlin. Er begann 1985 als Autor in deutscher Sprache zu veröffentlichen und war unter anderem Stadtschreiber in Rheinsberg, Remscheid und Trier. Im Klak Verlag (Berlin) erschien zuletzt „Wenn ich Dich wie ein Buch lese“. Verleger Jörg Becken, der den Tod des Schriftstellers ebenfalls bestätigte, erinnerte daran, dass sich Singh in den 80er Jahren für den Austausch von Autoren in Ost und West einsetzte. Über das Goethe-Institut initiierte Singh auch deutsch-indische Schulpartnerschaften. Und als Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland setzte Singh sich für inhaftierte Autoren ein.

Er schrieb laut Verlag in fünf Sprachen, er sei „ein Kulturbotschafter par excellence“ gewesen. Seine höchste Auszeichnung in Indien war demnach das National Fellowship des Indian Institute of Advanced Study in Shimla. Deutsch nannte er liebevoll seine „Stiefmutter-Sprache“, wie der Verlag schreibt. Bisher seien 14 Gedichtbände erschienen. In Trier seien drei seiner Gedichte in Stein gemeißelt. Eines befindet sich im Grünstreifen zwischen Christophstraße und Nordallee in der Trierer Innenstadt, ein weiteres am Klostergebäude des Auguste-Viktoria-Gymnasiums. Die Unesco-Projektschule pflegt seit langem eine Indienpartnerschaft. Direktor Timo Breitbach erinnert daran, dass Rajvinder Singh zu Gast war, als im Dezember 2018 vor dem Schulgebäude die Bronzestatue des berühmten Freiheitskämpfers Mahatma Gandhi feierlich eingeweiht wurde, ein Geschenk der indischen Regierung an die Stadt Trier. Nur wenige Meter entfernt hängt Singhs Gedicht an der Mauer des Schulgartens.

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte eine Verbindung zu Singh. 2006 zitierte er als Außenminister in einer Rede anlässlich der Frankfurter Buchmesse zum Gastland Indien den Dichter mit den Worten: «D“ie individuelle, sprachliche oder auch glaubensbetonte Fremdheit zu überwinden, ist der wichtigste Schritt, um vom Einzelwesen zu einem Mensch zu werden.“

Singhs Erfahrungen als Stadtschreiber in Trier verarbeitete der Autor in dem 2010 erschienenen Lyrikband „Wörterwehen“.

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