Rauschende Party zur Beerdigung
TRIER. Es war einer jener Abende, die man "denkwürdig" nennt: 900 Zuschauer im überfüllten Brunnenhof und 500 vor der vom Kulturamt organisierten Großleinwand an der Porta waren gekommen, um den Abschied von einer Legende zu feiern.
Es stimmt einfach alles: Ein spendabler Wettergott lässt sogar unverhoffterweise das auf der Bühne angebrachte Schild "Trierer Sommertreff" in einem milden Sonnenlicht glänzen. So besteht gar keine Gefahr, in tränenreiche Abschiedsstimmung zu verfallen, trotz des durchaus betrüblichen DoppelAnlasses: "Farewell" für die "Black Cats" und "Tribute" an den vor Jahresfrist verstorbenen Sänger Mel Jackson. Man wolle eine Fete im Sinne der "New Orleans Funerals", wo man bei der Beerdigung ausgelassen tanzt, schreibt Keyboarder Emil Sirakov im Programmheft. Das Publikum nimmt das mit dem Tanzen von der ersten Minute an wörtlich, trotz eines Altersschnitts, der manchen Besucher als Fan der ersten Black-Cats-Ära outet. 1963 gegründet, 1966 endgültig formiert, 1970 am Vorabend einer großen Karriere aufgelöst, 1984 zum Stadtjubiläum aus der Kiste gehüpft, wieder eingeschlafen, ab 1988 regelmäßig auf der Bühne, ab 2002 nur noch sporadisch im Einsatz: Eine bewegte Geschichte über vier Jahrzehnte lässt Gründungsmitglied Beny Kündgen Revue passieren.Bewegte Geschichte über vier Jahrzehnte
22 Bandmitglieder drückten den Black Cats im Laufe der Jahre ihren mehr oder minder kräftigen Stempel auf - Veteranen wie Pedro Longen und Toni Schüller haben ihre Spuren über einen Zeitraum von unfassbaren 40 Jahren hinterlassen. Der Soul aber, den die Black Cats spielen, hat die Zeit fast spurlos überdauert. So wie Sänger Bill Marsh, der problemlos die Bühnenkostüme aus den Sechzigern auftragen könnte, jedenfalls von der Konfektionsgröße her. Ehefrau Gisela und Sohn James hat er als Backgroundchor mitgebracht, und als Solist fügt sich Triers zurzeit prägnanteste Soul-Röhre Oliver Rohles nahtlos bei den alten Herren ein. Auch bei der grandiosen Bläser-Sektion stehen mit Edgar Bösen, Toni Schneider (schön, ihn mal wieder zu hören), Helmut Engelhardt, Uli Blees und Markus Stoll die Generationen friedlich nebeneinander. Unter den Bäumen und Sonnenschirmen im brodelnden Brunnenhof bewegt man sich derweil im Takt der rhythmischen Soulgymnastik. "Im a Soulman", bekennen ADD-Präsidenten und Baulöwen, Lehrerinnen und Rechtsanwälte, Hausfrauen und Rentner. Ob noch jemand nachempfinden kann, welche Sprengkraft diese Musik einst im konservativen Nachkriegs-Städtchen Trier gehabt haben muss? Man muss genau hinsehen, dann lässt sich an den Gesichtern der Musiker und den Bildern im Programmheft die Geschichte einer Generation ablesen. Der Start in Schlips und Kommunionsanzug, die wilden Jungs im Palastgarten Ende der 60er, die gereiften Familienväter beim Neustart 15 Jahre später, die potenziellen Großväter, die heute gemessenen Schrittes die Bühne betreten. Die meisten haben "bürgerliche" Karrieren gemacht und die Musik als Hobby betrieben. Hochtalentierte wie Mel Jackson, Joe Schwarz oder Edgar Bösen (alias Alb Hardy) wagten erfolgreich den Sprung ins "Business". Aber auch die Schattenseiten der Szene sind den Black Cats so wenig erspart geblieben wie anderen Bands ihrer Zeit. Hinter zwei Namen der sechsköpfigen Erfolgsbesetzung von 1967 stehen kleine Kreuzzeichen. Aber das ist nicht das Thema an diesem Abend, jedenfalls nicht, so lange von der Bühne ein Klassiker nach dem anderen tönt. Unermüdlich wummert die Rhythmusgruppe Heinz Lieser (Bass) und David Sirakov (Drums) das Publikum Richtung Soul-Delirium - Exzesse bleiben freilich diesseits wie jenseits der Boxen aus, man weiß, was man seinem Alter schuldig ist. Irgendwann, es geht auf Mitternacht zu, muss dann Schluss sein. Man wird sie vermissen, die Black Cats. Und mancher, der nach Hause geht, fragt sich, ob die Kids von heute wohl auch in vierzig Jahren, mit knittrigen Tattoos auf faltiger Haut und vernarbten Piercing-Löchern, ihren ergrauten Techno-DJ's zujubeln werden. Das Black-Cats-Konzert war auch der Abschluss der Reihe "Jazz im Brunnenhof" 2004. Thomas Schmitt vom Jazz-Club Eurocore konstatierte "stabile Zahlen auf hohem Niveau". Insgesamt kamen 3000 Besucher zu acht Konzerten.