Aber wehe, die Ereignisse überschlagen sich, die Teleprompter (diese Gaukelgeräte in den Kameras, die dem Zuschauer suggerieren, der Moderator spreche frei) können nicht mit Texten bestückt werden, und der Redakteur weiß nicht mindestens eine Stunde vor Sendebeginn, was in welcher Reihenfolge auf den Schirm kommt.

Dann herrscht das Chaos. Das Gestammel und Gestotter der "Anchormen", die endlosen Wiederholungen der immergleichen Worthülsen, misslungene Schaltungen zu ratlosen Reporten: Da gleichen sich private und öffentlich-rechtliche Kanäle wie ein Ei dem anderen. Gespräche von Moderatoren, die nichts wissen, mit Professoren, die irgendwas vermuten, und das auf einem Niveau, wie man es von den Nach-den-Spiel-Interviews im Fußballstadion kennt - es ist ein Graus.

Guttenbergs Rücktritt war da ein ebenso gutes Beispiel wie die Ereignisse in Ägypten. Bis die Dinosaurier ARD und ZDF auf die aktuellen Entwicklungen reagieren, ist das Live-Ereignis freilich eh meist längst vorbei. Dann laufen die sich ewigen Veteranen der politischen Analyse, die Deppendorfs und Co., für die Hauptnachrichtensendungen warm, deren Inhalt dann noch mal in Brennpunkten wiedergekäut wird, und zu nächtlicher Stunde verdauen die Talker den ganzen Käu ein drittes Mal, mit längst pensionierten, noch älteren Veteranen der politischen Analyse - also den Barings und Scholl-Latours dieser Welt.

Bei Guttenberg hatte das deutsche Fernsehen wenigstens das Glück, dass es keinen internationalen Vergleich gab. Bei Ägypten konnte man CNN schauen, mit Live-Bildern, Split-Screen-Kommentaren und -Interviews, Reportern direkt am Schauplatz des Geschehens, nicht-radebrechenden Übersetzern und Moderatoren, die um so besser werden, je unberechenbarer die Ereignisse sich entwickeln. Also mit allem, was bei uns fehlt.

Dafür lieferte das ZDF, wenn auch eher ungewollt, die Guttenberg-Pointe des Tages: Während der Sondersendung teilte man per Laufband mit, wegen des Rücktritts "entfällt die Sendung ,Reich und schön'".

Dieter Lintz