Reingehört

Nicht einmal Mitte 20 war Stan Getz, als diese Aufnahmen entstanden. Seine Karriere hatte bereits zum Höhenflug angesetzt.

Und er hatte schon einiges gehört und verinnerlicht, um der zu werden, als der er in die Jazzgeschichte einging: einer der einflussreichsten, einfühlsamsten Tenorsaxofonisten des Mainstream Jazz. Das deutet sich schon auf diesen Aufnahmen, den kompletten Root Studio Sessions, an. Sie entstanden zwischen 1950 und 1952 in New York mit einigen der seinerzeit tonangebenden Musikern: den Pianisten Al Haig und Horace Silver, den Schlagzeugern Roy Haynes und Frank Isola und den Gitarristen Johnny Smith und Jimmy Raney. Beeinflusst von seinem Vorbild Lester Young, gestählt durch die harten Bandschulen von Jack Teagarden, Stan Kenton und dem knallharten Benny Goodman (der ihn trotz Rauswurfs aus seinem Orchester für den "besten Tenorsaxofinisten aller Zeiten" hielt), kultiviert Stan Getz seinen satten, sanften Saxofonsound, schwerelos strömend, trocken und vibratolos. Und immer wieder schöpft er aus der unmittelbaren Vergangenheit mit Passagen von nervös-großstädtischem Bebop, dem Stil der 1940er Jahre. Diese CDs lassen sich mithin durchaus als Brücke zwischen zwei Schulen betrachten. Und ganz nebenbei kann man einem Weltmeister beim Werden zuhören.Einem Weltmeister, dessen Karriere kurz darauf beendet zu sein schien: Drogenabstürze und Alkoholexzesse (von Letzteren sollte Getz während seines ganzen Lebens nichts loskommen), sogar ein Gefängnisaufenthalt warfen ihn zeitweise aus der Bahn. Er ging (floh?) nach Kopenhagen, fand eine Stütze im Jazzimpresario Norman Granz - und erlebte eine Dekade später einen neuen Höhenflug: "Mr Cool" traf die Meister der Bossa Nova -Jobim, Bonfá, Gilberto. Die neue Welle aus Brasilien trug ihn wieder ganz nach oben. Aber das ist eine andere Geschichte. Rainer Nolden Stan Getz Quartet & Quintet, The Complete Roost Studio Sesseions, Label American Jazz Classics (in-akustik), Doppel-CD

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