Reingelesen

Das zweite Buch ist immer das schwerste, das sagen zumindest die, die es schreiben. War das erste ein Hit, muss das zweite auch einer werden - wenn nicht noch besser.

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Foto: (g_kultur

War das erste ein Flop, will das zweite ohnehin keiner mehr lesen. Nun war Joel Dickers erstes Werk ein überhaus erfolgreiches, das sagen die Kritiker, die Juroren diverser Literaturpreise und auch die Verkaufszahlen. "Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert" lautete es; ein fintenreicher, spannender, unterhaltsam geschriebener Krimi, der mit bissiger Kritik am Literaturbetrieb nicht geizte. Geäußert durch den Protagonisten, den Schriftsteller Marcus Goldman. Der steht auch in Dickers zweitem Roman, "Die Geschichte der Baltimores" im Mittelpunkt. Dieses Mal geht es aber nicht um einen Kriminalfall, dieses Mal geht es um die Geschichte einer Familie, ums Erwachsenwerden, um große Gefühle und Kleingeister. Auf der einen Seite der Familie die erfolgreichen, auf der Sonnenseite stehenden, glamourösen Goldmans in Baltimore, auf der anderen Seite die Mittelklasse-Goldmans aus Montclair, an denen irgendwie alles durchschnittlich ist. Bis auf Marcus vielleicht, den Schriftsteller. Es ist kaum verwunderlich, dass er sich als Jugendlicher zum aufregenderen Teil der Familie hingezogen fühlt. Und so ist "Die Geschichte der Baltimores" ein Lehrstück über den schmalen Grat. Über Liebe, die in Eifersucht umschlägt, über Bewunderung, aus der Neid erwächst. Über den Aufstieg und den Fall einer Familie. Die große Stärke des Schweizers Dicker offenbart sich in diesem Werk genauso wie beim Vorgänger "Harry Quebert": Wer mit dem Buch anfängt, wird es zu Ende lesen - komme was wolle. Dafür sorgen die zahlreichen Cliffhanger, geschickt miteinander verwobene Erzählebenen und die interessanten Figuren. Wer bei den letzteren allerdings allzu viel Tiefgang und psychologische Präzision erwartet, dürfte ob ihrer doch meist oberflächlichen Zeichnung enttäuscht werden. Rebecca Schaal Joel Dicker: "Die Geschichte der Baltimores", Piper, 510 Seiten, 24 Euro. Diese und weitere TV-Kolumnen finden Sie auch im Internet auf volksfreund.de/kolumne

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