Reingelesen

Man muss nicht unbedingt die Kulturkritik von Horkheimer und Adorno aus den 1940er Jahren bemühen, um die aktuelle Situation im Musikgeschäft darzustellen. Auch ohne die philosophische Fundierung wäre Berthold Seligers Buch "Das Geschäft mit der Musik" brisant genug.

Der Konzertagent berichtet über eine Branche, in der sich die Marktwirtschaft längst erledigt hat und durch monopolistische und völlig undurchschaubare Verhältnisse ersetzt wurde. "Das eigentliche Geld", schreibt Seliger, "wird immer weniger mit der Musik verdient, dafür aber immer mehr mit den Nebenrechten, von Merchandising bis Sponsoring." Seliger verschont nichts und niemanden: den Echo-Preis (eine "Selbstbeweihräucherungszeremonie"), die Monopolisierung auf dem Tonträgermarkt, das bürokratische Urheberrechtssystem, das Sponsoring und seine musikfeindlichen Nebenwirkungen, den Musikjournalismus, die Politiker und ihre Fehlinvestitionen. Verlierer seien die Künstler: "Nur etwa 50 Prozent der Beschäftigten in der deutschen Kulturbranche haben überhaupt noch einen festen Arbeitsplatz - und der liegt oft genug knapp über Hartz-IV-Niveau." Und weiter: "Das Tarifgehalt für einen Gesangs- oder Schauspielsolisten am Theater liegt bei 1600 Euro brutto." Tatsächlich ist die Einsicht, dass viele Theaterkünstler ihre Häuser über die niedrigen Gehälter mitsubventionieren, in die Öffentlichkeit kaum durchgedrungen. Seliger hat ein zorniges, aber auch erhellendes Buch geschrieben. Sein größter Vorzug ist zugleich sein größtes Problem. Der Leser wird überschüttet mit Fakten und Zusammenhängen. Wer sich da hindurchliest, ist allerdings eine ganze Portion klüger. mö Berthold Seliger, "Das Geschäft mit der Musik. Ein Insiderbericht", Edition Tiamat, 352 Seiten, 18 Euro.

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