Extrem-Bergsteiger Reinhold Messner spricht vor 1200 Zuschauern in Trier: Ein Leben in anderen Dimensionen

Trier · Reinhold Messner zieht in der Trierer Europahalle 1200 Menschen in seinen Bann. Dafür muss er einfach nur von seinem Leben berichten. Nur?

 Ein weltbekannter Blick: Reinhold Messner.

Ein weltbekannter Blick: Reinhold Messner.

Foto: TV/Christian Thome

Die Dimensionen, in denen dieser 75-Jährige auf der Bühne spricht, sind anders. „Wenn sich da ein Stück Eis löst, das nur so groß ist wie diese Halle, dann hat man ein Problem“, sagt Reinhold Messner. Nur. Klar. Wir sprechen ja auch „nur“ von der Trierer Europahalle und hier sitzen gerade „nur“ 1200 Menschen. Wenn der bekannteste Bergsteiger der Welt von seinen Expeditionen berichtet, dann scheint alles, was man selbst erreicht, klein und unspektakulär.

Und doch ist da dieser eine Berg, der ihn verändert hat. Es ist der Berg, an dem sich die oben genannten Eisblöcke lösen können (die auch mal so groß werden können wie ein Fußballfeld). Und der Berg, an dem Messner seinen Bruder Günther verloren hat. Der überdimensionale Reinhold erzählt die Geschichte, wie er 1970 mit seinem Bruder auf den Gipfel stieg. Wie Günther höhenkrank wurde, wie er selbst nach dessen Tod stundenlang „wie verrückt“ umherrannte versuchte den leblosen Körper zu finden.

Es ist nur eine von vielen Geschichten, die Messner an diesem Abend in der Europahalle erzählt. Nicht alle handeln von ihm, aber besonders bei denen, die er selbst erlebt hat, hängt das Publikum an seinen Lippen. Denn der Bergsteiger erzählt alles in einer stoischen Gelassenheit, als wären die unglaublichsten Errungenschaften nichts Besonderes. Wenn er von einem „kleinen 8000er“ spricht, oder davon, dass der Mount Everest, ab einem gewissen Punkt „relativ einfach zu besteigen“ wäre, dann klingt das dennoch keineswegs überheblich. Messner stellt sich nicht über die Zuschauer oder versucht zu zeigen, dass er etwas besseres ist. Er wirkt nahbar, als wäre das ein Familienessen, bei dem man Geschichten erzählt. Mit 1200 Verwandten, versteht sich.

Dass der Mann, der da mit Bart und vollem Haar auf der Bühne steht 75 Jahre alt ist, merkt man ihm nicht an. Eine Pause? Die gesteht er dem Publikum nach der Hälfte des Vortrages zu. Er selbst entspannt allerdings nicht, sondern schreibt minutenlang Autogramme – wie auch schon lange vor dem Beginn seines Auftritts. Die Superlative, die Messner zu seinen aktivsten Zeiten auf den Dächern der Welt aufgestellt hat, zeigt er heute in Sachen Vermarktung.

Denn er ist mehr als ein Bergsteiger. Er ist eine Marke. Reisen, Halstücher, ein Museum, unzählige Bücher und Filme: dieser Mann weiß, wie er sich vermarktet. Auch das wirkt nicht, als würde er nur Geld scheffeln wollen. Messner hat sich das alles verdient, indem er etliche Male sein Leben riskiert hat. Da kann man ruhig die finanziellen Lorbeeren einheimsen.

Könnte man Lebensweisheiten verkaufen, wäre Messner auch darin ein Kassenhit. Ob es verantwortbar sei, sein Leben immer wieder zu riskieren? „Nein, aber wir tun es trotzdem“, sagt er. Die Kunst des Alpinismus, den er in der Europahalle erklärt, sei nur „nicht umzukommen“. „Wir gehen dorthin, wo wir umkommen könnten – nur um nicht umzukommen“. Die wichtigste Nachricht, die Messner den Zuschauern mitgibt: „Wir sind unendlich klein gegenüber den Bergen.“

Auch er. Auch der so gigantisch wirkende Messner. Man wünscht sich, dass man einfach mit ihm an einem Lagerfeuer sitzen und seinen Geschichten lauschen könnte. Selbst dann wären die Dimensionen wohl andere.

Ein ausführliches Interview mit Reinhold Messner, in dem er über Trump, Thunberg, Touristen am Mount Everest und vieles mehr spricht, lesen sie hier.

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