Literatur Vom Glück ausgeschlossen

Ankommen, Heimat und Identität sind die großen Themen, um die das Debüt der Autorin C Pam Zhang kreist. Zwei Kinder, zwölf und elf Jahre, verlieren in einer Stadt im Mittleren Westen ihre Eltern. Sie packen den toten Vater ein, die Mutter ist längst verschwunden, und ziehen in den weiten Westen, durch die Hügel, in denen einst so fanatisch nach Gold gesucht wurde, dass nichts als verbrannte Erde zurückgeblieben ist.

 Wie viel von diesen Hügeln ist Gold

Wie viel von diesen Hügeln ist Gold

Foto: Verlag S. Fischer

So arm sind diese Kinder von chinesischen Einwanderern, dass sie sich nur aufeinander und ihre Instinkte verlassen. Und gehen, ohne es zu wissen, den Weg zurück, den ihre Eltern in der Hoffnung auf Freiheit, Gold und Glück einst gekommen waren. Doch ist dies keine gewöhnliche Identitätssuche und Trauerbewältigung.

C Pam Zhang entlarvt in ihrem Western-ähnlichen Roman das Amerika der Goldgräber, in dem das Werk der Immigranten totgeschwiegen wird, als zutiefst rassistisch. Die Eisenbahn von der Westküste bauten zum größten Teil Chinesen, die mit Hoffnungen auf ein besseres Leben ins Land gelockt worden waren – für viele ein Aufbruch in Sklaverei und Tod. Ihre im Land geborenen Kinder werden diskriminiert und merken schon, bevor sie Eltern und Wohnsitz verlieren, dass sie nirgends hingehören (Motto: „This land ist not your land“). Dass sie zum Überleben stark, zäh und skrupellos sein müssen. Nicht weiblich, schutzlos. Eines der beiden Kinder schlüpft auf verblüffende Weise ins andere Geschlecht, legt ihr Mädchensein ab. In die Trauer um ihre Eltern und einen Ort der Zugehörigkeit mischt sich auch Entsetzen um den Verlust der Natur. C Pam Zhang schildert dies in einer knappen, von Mandarin-Ausdrücken durchsetzten Sprache. Die in Peking geborene Autorin, die in den USA aufwuchs, hat laut Verlagsauskunft ein Stück eigener Heimatsuche in dieses Buch gelegt, das übrigens Barack Obama zu seinen Lieblingslektüren des Jahres 2020 kürte und das für den Booker Price nominiert war.

Fazit: Eine Art Anti-Western – die drastische Desmaskierung der Goldgräber-Gesellschaft in queerer Perspektive, das die Naturausbeutung ebenso sichtbar macht wie die Machtfunktion einer Historiografie des weißen Mannes. Das Überleben in den verdorrten Hügeln des Mittleren Westens ist so fern der Zivilisation, so naturnah, dass sich der Roman zunächst nicht wie ein historischer liest. Anne Heucher

C Pam Zhang, Wie viel von diesen Hügeln ist Gold, Roman, aus dem Englischen von Eva Regul, S. Fischer Verlag 2021, 348 Seiten, 22 Euro.

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