Hörbuch Reingehört: Über die luxemburgische Schriftstellerin Marie-Henriette Steil und ihr Werk „Tier und Mensch“

Trier/Luxemburg · Die Luxemburgerin Schriftstellerin Marie-Henriette Steil wurde nur 32 Jahre alt. Nun bringt ein neues Hörbuch ihre „harmlosen Geschichten“ zur Geltung. Unser Autor hat reingehört.

Rezension Hörbuch: Reingehört – Marie-Henriette Steil „Tier und Mensch“
Foto: Verlag

Marie-Henriette wer? Stimmt. Das fragen sich sicher viele. Der Name Marie-Henriette Steil ist in der Grenzregion zu Luxemburg nur ganz wenigen Menschen, selbst Literaturkennern, geläufig. Doch galt die mit 32 Jahren verstorbene Schriftstellerin, die von 1898 bis 1930 lebte, den Zeitgenossen als die „einzige Dichterin, die Luxemburg bis heute besaß“ (Albert Hoefler 1945). Jetzt veröffentlichen im Großherzogtum das Centre national de l’audiovisuel (CNA) sowie das Centre national de littérature (CNL) Steils Erzählband „Tier und Mensch. Harmlose Geschichten“, der 1926 in Leipzig publiziert wurde, als Hörbuch. Die Gesamtspielzeit beträgt knapp über zwei Stunden.

Doch sind das wirklich „Harmlose Geschichten“, wie der Untertitel des Buchs von Marie-Henriette Steils heißt? Wer sich näher mit ihrem (leider nur) kurzen Leben auseinandersetzt, wird das schon ausschließen, ehe er auch nur die ersten Sätze einer ihrer Erzählungen hören wird.

Ihr öffentliches Auftreten zeigt Marie-Henriette Steil als eine junge Frau der 20er Jahre mit Kurzhaarfrisur, die nicht nur modern sein möchte. Ihr Ziel ist finanzielle und allgemeine Unabhängigkeit, sie denkt viel über die den Geschlechtern von der Gesellschaft zugewiesenen Rollen nach und möchte die erste luxemburgische Berufsschriftstellerin werden. Und dabei natürlich internationale Anerkennung finden. Marie-Henriette Steil wird heutzutage als „stille Ikone der Genderliteratur“ (Luc Hornbeck  2019) angesehen.

Doch zu den Erzählungen: Vordergründig erscheinen Steils kurze Geschichten tatsächlich eher „harmlos“. Sie tragen Titel wie „Der Hahn“ (12), „Das kleine Mädchen“ (5), „Affen“ (17); aber auch  „Die Brücke“ (4) oder „Der Film“ (7).

Aber wenn sozusagen an der Oberfläche gekratzt wird, findet der Hörer zwischen allen Zeilen „die Spezies: Homo sapiens. Im Gewand der Tiersymbolik birgt sich menschliches Geschehen, geht Menschennot und Menschenwitz in wohltuender Abwechslung“, wie es schon ein heute unbekannter Autor mit dem Kürzel „H. B.“ 1927 in der Luxemburger Zeitschrift „Jonghémecht“  sehr treffend formulierte. Cover und Booklet des Hörbuchs sind mit Zeichnungen von Auguste Trémont illustriert, die aus der Leipziger Ausgabe des gedruckten Buches von 1926 entnommen sind.

Vorgetragen werden die 18 Texte prononciert vom luxemburgischen Schauspieler Steve Karier, der in Deutschland ausgebildet wurde, bereits an mehreren Theatern ebenda, in der Schweiz und Luxemburg engagiert war und an internationalen Filmen mitgewirkt hat. Von Luxemburger Autoren hat er mehrfach literarische Texte eingesprochen.                             

Das Hörbuch erinnert mit den im Jahr 1926 publizierten Erzählungen an eine meist in Vergessenheit geratene  Luxemburger Schriftstellerin, die eine wirklich bedeutende hätte werden können. Doch leider verstarb sie bereits 1930. Jörg Lehn

Marie-Henriette Steil: Tier und Mensch. Harmlose Geschichten. Gelesen von Steve Karier. Eine Koproduktion des Centre national de l'audiovisuel und des Centre national de littérature, Hörbuch im MP3-Format mit Download-Code. Gelesen von Steve Karier, Dudelange/Mersch 2021, 20 Euro. Erhältlich im Webshop des CNL (shop.literaturarchiv.lu) und im Buchhandel.

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